Projekt aus den 30er-Jahren

Rund 200.000 Menschen demonstrierten in Madrid gegen den Nationalen Wasserplan. Wasser soll vom Norden in den Süden umgeleitet werden. Kosten: 43 Milliarden Mark

BERLIN taz ■ Selbst die Veranstalter waren erstaunt: Mindestens 200.000 Demonstranten haben am Sonntag die Madrider Innenstadt eingenommen. Sie protestierten gegen den Nationalen Wasserplan, den die konservative Regierung von José María Aznar am 9. Februar verabschiedet hat und dessen Absegnung durch das Parlament die Demonstranten nun noch verhindern wollen. Der Nationale Wasserplan sieht die Umleitung von 1.050 Kubikmeter Wasser aus dem Ebro, dem wasserreichsten Fluss Spaniens, nach Südspanien vor. Ferner sollen 70 neue Staudämme gebaut werden. Die Regierung hofft, dass die EU für ein Drittel der auf 43,5 Milliarden Mark geschätzten Gesamtkosten aufkommen wird.

Das Projekt entstand in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Idee: Die Ungerechtigkeit der Natur, die im Norden Spaniens, besonders in den Pyrenäen, Wasser im Überfluss bereitstellt, wohingegen es nach Süden zu immer trockener wird, von Menschenhand zu beseitigen. In den 70er-Jahren wurden bereits zahlreiche Stauseen gebaut, durch die dem Fluss Tajo Wasser entnommen und in den Segura eingespeist wurde, was ständige Querelen zwischen Geber- und Empfängerregion nach sich zog. In den 90er-Jahren machten sich die regierenden Sozialisten an eine Wiederauflage des Wasserverteilungsgedankens. Doch der Plan blieb in der Schublade, bis ihn letztes Jahr die Konservativen entstaubten.

Die Proteste gegen den Wasserplan entspringen zwei unterschiedlichen Haltungen: Die Aragonesen empören sich, dem Süden Wasser zur Verfügung stellen zu sollen, obwohl es selbst in der nördlichen Provinz Aragón Gegenden gibt, die unter Wassermangel leiden – angewandte Heimatliebe sozusagen. Umweltschützer kritisieren, bevor man Wasser umleite, solle mit dem vorhandenen Gut sparsam umgegangen werden. Die „Stiftung für Ökologie und Entwicklung“ etwa moniert, 75 Prozent des verbrauchten Wassers laufe nicht über den Zähler, was Verschwendung zur Folge habe. Durch defekte Wasserleitungen gingen darüber hinaus 40 bis 50 Prozent des Wassers verloren. Ferner werde durch die Wasserumleitung das Wirtschaftswachstum an Stellen gefördert, deren Kapazität längst ausgelastet ist: auf den Bewässerungsplantagen in der südlichen Region Almería als auch in den touristischen Orten in Andalusien, die seit etwa 20 Jahren unter Wasserknappheit leiden. Statt eine unterentwickelte Region wie die östlichen Pyrenäen zu entwickeln, würden dort Dörfer überflutet, um in den reichen Regionen noch mehr Reichtum zu schaffen. Nicht alles freilich ist schlecht am Nationalen Wasserplan. So ist ein Teil der Investitionen zur Erneuerung der Bewässerungssysteme und zum Bau von Kläranlagen vorgesehen.

ANTJE BAUER