Nur widerwillig zur Unterschrift

Das Nato-Abkommen für Südserbien löst auf beiden Seiten Unmut aus. Serbische Offiziere beklagen zu viele Einschränkungen bei dem geplanten Einsatz in der Pufferzone, und die Albaner sehen sich zu Unrecht in die Rolle des bösen Buben gedrängt

aus Priština ERICH RATHFELDER

Die Verhandlungsführer der Nato-Truppen in Kosovo können aufatmen. Sie haben am Montagabend ein wichtiges Etappenziel erreicht. In einem Abkommen mit der serbischen Führung und der Jugoslawischen Armee wird dieser erlaubt, in einen eng begrenzten Korridor der demilitarisierten Zone an der serbischen Grenze zum Kosovo vorzurücken. Dass die albanischen Rebellen der UÇPMB zudem ein Waffenstillstandsabkommen unterschrieben, rundete die Sache ab.

Wird aber mit dem Abkommen ein weiter reichenden Friedensprozess eingeleitet? Selbst viele KFOR-Offiziere bleiben skeptisch. Denn die Konfliktparteien haben nur widerwillig zugestimmt. Die serbischen Politiker können das Abkommen zwar als Erfolg verbuchen, wird doch nun von internationaler Seite öffentlich demonstriert, dass sie dazu beitragen will, das Grenzgebiet wieder unter die Souveränität des serbischen Staates zu bringen. „Wir haben der neuen Regierung Zucker gegeben, sie kann nun sagen, dass sie mit ihrer Politik im Gegensatz zur Konfrontationspolitik Milošević’ erfolgreich ist“, heißt es aus Quellen der Nato.

Aber die serbischen Militärs bleiben unzufrieden. Das fragliche Gebiet umfasst nur 25 Quadratkilometer. Der größte Teil der demilitarisierten Zone bleibt zunächst unter der Kontrolle der albanischen Rebellen. Der Jugoslawischen Armee wird es zudem verwehrt, mit gepanzerten Fahrzeugen zu operieren, in Dörfer einzuziehen und Häuser zu besetzen. Das im Juni 1999 geschlossene Abkommen von Kumanovo bleibt in Kraft, was heißt, dass die Nato der Jugoslawischen Armee jederzeit befehlen kann, das Gebiet wieder zu verlassen. Die serbische Seite soll zudem ihr Personal auswechseln. Jene, die bis 1999 im Kosovo an Terrormaßnahmen beteiligt waren, sollen gehen. Internationale Beobachter werden die Soldaten überwachen. Serbische Offiziere sehen diese Bedingungen als zu hart an.

Die wichtigsten Albanerparteien im Kosovo waren sich noch wenige Stunden vor der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens einig, dass man dem Druck der Nato nicht nachgeben dürfe. Die Rebellen in Südserbien stimmten schließlich zu, weil die Nato bzw. KFOR gedroht haben soll, die Grenze zum Kosovo abzusperren. Man tröstet sich damit, der Einmarsch der Serben habe ohnehin einen mehr symbolischen als militärischen Wert. Wenn aber die Jugoslawische Armee tatsächlich vorrückt, sind neue Anschläge nicht ausgeschlossen, vor allem dann, wenn weitere Gebiete, wie von der Nato gewünscht, unter serbische Kontrolle kommen.

Die Albaner fühlen sich in die Enge getrieben. Während die KFOR, vor allem die US-Truppen, die Rebellen in Südserbien zu Milošević’ Zeiten noch ermunterten und wegsahen, wenn vom Kosovo aus Waffen in die umstrittene Zone gebracht wurden, so hat sich das Blatt jetzt gewendet. Gleich nach dem Machtwechsel in Belgrad begannen einige Nato-Offiziere von „albanischen Terroristen“ zu reden, die vorher geduldeten Aktionen der UÇPMB wurden plötzlich verurteilt. Die jetzt gültige Sprachregelung, „albanische extremistische Rebellen“, ist zwar abgemildert, deutet aber weiterhin auf eine neue Distanz. Verwundert nehmen Albaner zur Kenntnis, dass sie nun auch in der Weltpresse am Pranger stehen, während serbische Politiker, die öffentlich ethnische Säuberungen verteidigt haben, als seriöse Gesprächspartner gelten.

Die Folge ist eine Art Trotzreaktion. Ab 1998 hatte sich eine Meinung durchgesetzt, die sich so beschreiben lässt: „Wir werden nicht als gleichberechtigt respektiert, wenn wir pazifistische Opfer sind, sondern erst dann, wenn wir die Waffen in die Hand nehmen.“ Diese Haltung erlebt nun eine Renaissance. Politiker wie die Ex-UÇK-Kämpfer Hashim Thaci, Ramush Harandinaj oder Naim Maloku setzen sich zwar öffentlich von den Rebellen in Südserbien und in Makedonien ab, doch in Wirklichkeit können sie sich der Stimmung von unten, die Solidarität mit den dortigen Kämpfern einfordert, nicht entziehen. Von ihnen wird eine Führungsrolle erwartet, zumal Expräsident Ibrahim Rugova sich nur selten öffentlich äußert.

Die künftige Entwicklung birgt also viele Risiken. Als Fehler der internationalen Politik könnte sich herausstellen, daß die Nato-Militärs bei Verhandlungen federführend sind. Es werden zwar militärisch-politische Abkommen durchgesetzt. Die wichtigen politischen Fragen jedoch, wie Minderheiten- und Bürgerrechte in Serbien, Makedonien und im Kosovo verwirklicht werden können, sind offenbar hintangestellt.