pampuchs tagebuch: Negative Wertentwicklung
Gott straft. Und mit Recht. Derzeit hat er viel zu tun, weil es viele Sünder gibt. Eine besondere Klasse ist unter einem gemeinsamen Kürzel organisiert. Mit diesem Kürzel haben sie die Welt eine Weile lang in Atem gehalten, verwirrt und auf finstere Abwege gebracht. Weil sie aber so hübsch zusammengefasst sind, erleichtern sie Gott nun die Strafarbeit. Die Rede ist von den „Dotcoms“ und ihren verblendeten Anhängern (zu denen ich mich – als kleiner Winkelaktionär – leider auch zählen muss).
Wie vor ziemlich genau einem Jahr in diesen Spalten berichtet, habe ich mir von der Bank meines ehemaligen Vertrauens, der BFG, einen „Garant TopTech Basket Laufzeitfonds“ aufschwatzen lassen. Die reinen Internetfonds – damals das Heißeste überhaupt – waren Gott sei Dank schon weg, sodass ich notgedrungen ein Dotcom-Aktionär mit Hardwareunterstützung (Siemens, Nokia, Motorola sind auch im Korb) wurde. Meine Beraterin bei der Bank schwärmte davon, dass ich mich über die Kurse meines Paketchens laufend online informieren könne. Das habe ich natürlich nie gemacht. Man hat ja wirklich Besseres zu tun.
Und auch das straft Gott. Mit Recht. Kaum ist ein Jahr vergangen, erhalte ich von der BFG eine Kurzfassung des Rechenschaftsberichts über mein TopTech-Körbchen. Da ist von „weltweit massiven Kurseinbrüchen vor allem bei den Technologietiteln“ die Rede. Und dann kommt ein Satz von schlichter Eleganz: „Der Fonds hat vor diesem Hintergrund eine Wertentwicklung von – 10,6 % seit Auflegung . . . erzielt.“
Ich halte diese Formulierung für ziemlich gelungen. Ganz anders nämlich sprang da der Redakteur dieser Seite mit mir um, dem ich bei verschiedenen Gelegenheiten von allerlei zukunftsträchtigen Dotcoms erzählte. Schon vor Monaten sagte er mir, dass jeder intelligente Mensch heutzutage schon bei der bloßen Erwähnung dieses Kürzels seine Hände ganz fest um seine Geldbörse krallen und sie nach Möglichkeit tief drin im Hosensack arretieren sollte.
Letztlich aber verdanke ich es dem Internet selbst, dass ich das Strafgericht, das sich nunmehr über die New Economy samt ihrer virtuellen und doch so realen Geldvernichtungsmaschinerie zusammenbraut, quasi live miterleben darf. Es gibt nämlich neuerdings einen Protokollanten des Zusammenbruchs, und der hat die Adresse FuckedCompany.com. Berichtet wird garantiert nur Negatives: Pleiten, Entlassungen, Schweinereien aus dem Business – unzensiert und fröhlich die Gerüchteküche anheizend. „Rumor has it . . .“. so fangen die meisten dieser Bad News an. Und in der Verleumdungsecke („Happy fun slander corner“) werden die jeweiligen „fucks“ noch einmal genüsslich und unter reger Beteiligung breit getreten und kommentiert. Das Ganze ist getragen von einer jugendlichen Lust am Untergang. Der Erfinder der Site, Philip Kaplan, ist 25, firmiert unter dem Namen „pud“ (Schwanz) und hat gute Chancen, zum Internetmann des Jahres 2001 gewählt zu werden. Pudpower.
Trost für den Rest der Welt bietet FuckCompany nicht. Die Jobvermittlungsrubrik glänzt durch Ödnis – in den letzten Monaten haben Hunderttausende Dotcommer ihren Job verloren. Die Befriedigung liegt allein darin, teilzuhaben am überfälligen Crash eines Hypes. Wer will, kann sogar aktiv werden und „Report a new fuck“ anklicken. Hat ja auch was. Meine BFG werde ich trotzdem noch nicht bei Pud anmelden. Denn ganz bin ich mir noch nicht sicher, ob die Erzielung von Minuswertentwicklungen mit „fuck“ richtig übersetzt ist. Aber meine Hände lass ich in Zukunft tief bei der Börse im Hosensack. FuckCompany hat mir die Augen geöffnet. Die Wege des Herrn sind verschlungen. THOMAS PAMPUCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen