SPD-Klage gegen Thierse?

Nach der Durchsuchung des Mitarbeiterbüros von Hofmann, SPD-Obmann im Spendenausschuss, will SPD Zeugnisverweigerungsrecht von Abgeordneten klären

BERLIN taz ■ In der SPD-Fraktion wird darüber nachgedacht, ob man mit einer Organklage vor dem Bundesverfassungsgericht klären lässt, wie weit das Zeugnisverweigerungsrecht eines Abgeordneten reicht. „Es gibt schlaue Leute, die uns einen solchen Weg empfehlen“, meinte gestern Wilhelm Schmidt, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.

Anlass für derartige Überlegungen: Kürzlich durchsuchte die Münchner Staatsanwaltschaft die Bundestagsräume eines Mitarbeiters des SPD-Abgeordneten Frank Hofmann. Dafür hatte der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zuvor seine Erlaubnis erteilt. Dem Mitarbeiter von Hofmann, der Obmann im CDU-Spenden-Untersuchungsausschuss ist, wird vorgehalten, geheim eingestufte Papiere der Augsburger Staatsanwaltschaft an die Süddeutsche Zeitung weitergeleitet zu haben.

Bei der Durchsuchungsaktion, die auch mit den Stimmen der SPD-Mitglieder im Geschäftsordnungsausschuss gebilligt wurde, waren jedoch nicht nur Unterlagen des Mitarbeiters, sondern auch von Hofmann selbst beschlagnahmt worden. Diese lagern nun, solange das Verfahren andauert, in einem Büro des Bundestagspräsidiums.

Aufschlussreich bei einer rechtlichen Klärung dürfte auch die Frage sein, inwiefern sich Materialien eines Mitarbeiters von denen seines Abgeordneten trennen lassen. Aus Sicht der SPD ist dies in vielen Fällen nur schwer möglich, zumal gerade durch die Speicherung in Computern Datensätze des Mitarbeiters und des Abgeordneten häufig vermischt werden.

Vor einer Organklage in Karlsruhe will die SPD zunächst den weiteren Verlauf vor den Gerichten abwarten. Kurz nach der Durchsuchungsaktion war der SPD-Abgeordnete Hofmann mit einer Klage gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht München gescheitert. Daraufhin zog er vor das Oberlandesgericht München. Sollte er dort ebenfalls keinen Erfolg haben, könnte zunächst eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt werden, erläuterte gestern der Parlamentarische Geschäftsführer Wilhelm Schmidt den denkbaren weiteren Verlauf des Streitfalles. Eine solche Beschwerde in Karlsruhe würde sich dann zunächst gegen die Münchner Behörden richten. Erst danach würde die SPD über eine Organklage gegen den Bundestagspräsidenten entscheiden. Schmidt deutete an, dass er selbst eine grundsätzliche Klärung für wünschenswert hält. Es sei „aller Ehre wert“ zu überprüfen, wie weit die Rechte eines Abgeordneten reichten. Bei einer eventuellen Klage in Karlsruhe gehe es nicht um Thierse in Person, sondern in seiner Funktion als Parlamentspräsident. Dass die SPD nun eine Klage erwägt, obwohl sie zuvor im Geschäftsordnungsausschuss Thierses Entscheidung zugestimmt hatte, kommentierte Schmidt mit den Worten: „Im Nachhinein ist man immer etwas schlauer.“ Die SPD-Vertreter hätten angenommen, dass nur Materialien des Mitarbeiters durchsucht würden, nicht aber die des Abgeordneten Hofmann. SEVERIN WEILAND