Die Farbe Lila

■ Ein Ritual, bei dem Hysterie und Hochmut nahe beieinander liegen: Vor vielen Fans stimmt der Beirat Schwachhausen gegen den Ausbau der Schwachhauser Heerstraße

Zehn Fässer Bier, egal, ob er noch im Dienst ist oder ein Greis, der zahnlose Schoten aus der guten alten Zeit im Amt für Straßen und Verkehr erzählt. Zehn Fässer darauf, dass die Schwachhauser Heerstraße im LKW-Führungsnetz der Stadt Bremen nie und nimmer die Farbe Lila haben wird. „Ich stehe zu meinem Wort“, versprach Heiko Wenke, Leiter der Planungsabteilung der Behörde, am Donnerstag- abend bei der Sitzung des Beirats Schwachhausen. Also: Die Schwachhauser Heerstraße wird keine „LKW-Strecke, kreuzungsfrei, höchster Ausbaustandard“, wofür der unheilvolle Farbcode steht. Auch nicht, wenn sie vierspurig ausgebaut wird.

Geglaubt haben dürften dem Planer dies indes die wenigsten in der Schulaula Freiligrathstraße. Seit der großen Sitzung der Beiräte Schwachhausen, Mitte und östliche Vorstadt im Juli 2000, als sich ein großes vereinigtes „Nein!“ über die Planungen legte, hat sich an den Fronten wenig geändert: Während die Planer nach eigenen Angaben nur Gutes im Schilde führen – vor allem in Sachen ÖPNV – und ansonsten die Regeln der Technik zitieren, fürchten die Kritiker, dass mit dem Ausbau der Straße zwischen Holler- und Kurfürstenallee das erste Teilstück einer „Stadtautobahn“ fest asphaltiert wird – gerade angesichts des Senatswunsches, den Concordiatunnel zu erweitern. Planerische Bekenntnisse wie „Wir glauben nicht, wir rechnen!“, helfen da nur wenig.

Überhaupt: Ist es nun ein Ausbau oder nur ein Umbau, was die Schwachhauser Heerstraße im Anfang 2003 oder schon früher ereilen soll? Aus verkehrsplanerischer Sicht wird die betroffene Strecke schließlich bereits heute vierspurig genutzt. Künftig soll die BSAG-Linie 4 jedoch einen eigenen „Bahnkörper“ bekommen; die Fahrspuren schrumpfen ein wenig, sind allerdings eindeutig viermal vorhanden, zwei in jeder Richtung. Dazu gibt's neue Fußgänger- und Fahrradwege, ein paar Bäume. Im Planerdeutsch ein „üblicher städtischer Querschnitt“ – und einem BSAG-Ingenieur mit dem Namen Wagschal zufolge ganz wichtig, um die Linie 4 noch ein bisschen flotter zu machen.

„Sie tun ja so, als würde hier eine Wunderwelt für Radler und Fußgänger geschaffen!“, erboste sich der Sprecher der Initiative „Keine Stadtautobahn durch Bremen“, Günter Knebel. Die stadtauswärts fahrenden Bahnen könne man durch eine Vorrangschaltung beschleunigen, in Richtung City gebe es bereits eine Schraffierung. Der Raum für Individualverkehr solle hingegen reduziert werden. Oder so bleiben, wie er ist. Ansonsten drohe die Zerstörung des Stadtteils, so Knebels Nachbar, der die Zahlenakrobatik der Verkehrsplaner für reine Glaubenssache hält.

Diese haben hoch gerechnet, mathematisch, stochastisch, und Folgendes gesehen: Geschieht nichts, werden anno 2015 insgesamt 37.600 Fahrzeuge am Tag die Heerstraße passieren. Wird gebaut, sollen es 38.700 sein – also nicht viel mehr. Teilt man die Zahlen durch zehn, kommt man auf den möglichen stündlichen Spitzenwert – der eine Straße mit jeweils einer Spur pro Richtung restlos überlasten würde. So die die Planersicht.

Die Kritiker indes – Initiativler, Anwohner, Beiratsmitglieder – kaufen ihnen einfach nicht ab, dass es bei einem Aus- oder Umbau bei einem LKW-Anteil von unter vier Prozent bleiben wird. Sie befürchten Verkehr zum Großmarkt und GVZ – quer durch die Stadt, auch in der Nacht. Die Verkehrsprognosen, die auf – zumindest – stagnierenden, keinesfalls aber sinkenden Bevölkerungszahlen basieren, halten die Gegner für unrealistisch.

Und so werden einige richtig böse, als Bau-Staatsrat Fritz Logemann („Herr Lügemann“), der auch in der Aula sitzt, des Pudels Kern enthüllt: Wenn die 10-Millionen-Baumaßnahme wie geplant realisiert würde, dann müsse Bremen nur eine Million bezahlen – der Bund bezahlt bei ÖPNV-Großvorhaben kräftig mit. Bei der „Nullvariante“, wenn Gleise und Straßen irgendwann einfach repariert werden müssen, käme die Angelegenheit Bremen weit teurer.

Und der Beirat? Der fasst am Ende folgenden Beschluss: Alles, was gut ist, soll kommen, alles was schlecht ist, nicht. Gut sind unter anderem die geplante „voll ampelgesicherte Querungsmöglichkeit“ in Höhe des Joseph-Stifts und eine Linksabbiegemöglichkeit stadteinwärts in die Graf-Moltke-Straße. Schlecht ist, dass eine Gesamtplanung fehlt, vor allem aber der Ausbau der Fahrspuren an sich – was der Großteil der CDU allerdings anders sieht, die eine „Einstreifigkeit“ ablehnt. Die Abstimmung endet 10:7. Gegen die Verbreiterung des Concordiatunnels indes sind alle Parteien.

Damit hat der Beirat seine offizielle Stellungnahme im laufenden Planfeststellungsverfahren abgegeben, „eine Stimme von ganz vielen“, wie einer aus der Planerecke meint. Seine Prognose: „Das geht so durch, wie wir das hier vorgestellt haben.“ Initiativen-Frontmann Knebel, der sich schon seit zig Jahren gegen das Heerstraßen-Projekt stemmt, ist da gottesergeben: „Auf jeden Fall“, sagt er, „hat man protestiert“. hase