Perspektive: Ökosolidarität

Fair-Trade-Produkte bedienten bislang lediglich eine Nischenklientel. Mit dem neuen Wunsch nach Transparenz und Ökonahrung bekommen die Erzeugnisse aber wieder Aufwind: als sozialverträglicher Handel mit ökologischer Qualität

von MARGRET STEFFEN

Dem Rind traut niemand mehr. Einmal in der Fleischtheke gestapelt, ist ihm seine Herkunft nicht mehr anzusehen. Deshalb diskutiert die Politik zu BSE-Zeiten große Neuanfänge, große Kontrolle, große Transparenz. FairTrade-Produkte zeigen jetzt schon, wie das geht – bei Kaffee und Kakao etwa.

Wo die Bohnen herkommen, lässt sich geradlinig zum Erzeuger zurückverfolgen. Pakete mit „Fair“-Siegeln stehen in Bioläden und auch schon so manchem Supermarkt. Was viele Käufer nicht wissen: Nahrung aus sozial verträglichem Handel bekommt immer häufiger den Öko-Schliff.

„Tee und Bananen unserer Produzenten stammen zur Hälfte aus ökologischem Anbau“, sagt Dieter Overath, Geschäftsführer von TransFair aus Köln. „Bei Schokolade sind es 25 Prozent, beim Kaffee 30.“ Er verspricht sich einen „leichten Aufwärtstrend“ im FairTrade-Geschäft, weil nach Dioxinskandalen und Viehseuchen die Verbraucher ihrem Essen nicht mehr trauen. Zuwächse im harten Preiskampf, sagt er, gab es bisher sowieso nur im Biobereich.

Das sehen auch die Gepa-Unternehmer so. Die Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt ist der wichtigste FairTrade-Händler in Deutschland, 58 Millionen Mark Umsatz schwer. Sprecherin Barbara Schimmelpfennig: „Unser Vorteil als Handelshaus ist, dass wir die Transparenz von FairTrade bieten und noch die Bioschiene draufsetzen können.“ Schon 1986 kurbelte die Gepa ökologischen Teeanbau in Sri Lanka an und entwickelte so den ersten Biotee. Das funktionierte – sauberer Schwarztee hat heute mehr Fans als Biokaffee. Aber, sagt Schimmelpfennig, „viele wissen noch gar nicht, dass FairTrade auch Bio beinhaltet.“ Deswegen bietet das Handelshaus fertige Regale an, bestückt mit der ganzen FairTrade-Palette.

Der Einzelhandel interessiert sich mehr und mehr dafür. Die Waren liegen darin auch unter dem Hinweis „Bio & Fair“. 60 Prozent von ihnen kommen schon aus Ökoanbau und so zielgerichtet an die Käufer. Eine Liebesheirat haben sie allerdings nicht geschlossen, die großen Supermarktketten und der faire Handel. „Spürbare Akzeptanzprobleme“ nennt der Discounter Plus die Abneigung seiner Kunden gegen den Preisaufschlag und musterte 1998 die sozial verträglichen Waren aus.

Einzig das Unternehmen Rewe hat sich ernsthaft mit alternativen Anbietern auseinander gesetzt, sagt Klaus Overath von TransFair. Dort lägen in der Obstabteilung Füllhorn-Bananen, eine Sorte, die in der Schweiz immerhin einen Marktanteil von 17 Prozent erreicht habe – Chiquita-Niveau. Eine Kiste Bananen, also 18 Kilo, bringt auf dem Weltmarkt 1 Dollar – im fairen Handel das Siebenfache. Rewe sei noch „der Einäugige unter den Blinden“, sagt Overath, „selbst ein Konzern mit 70 Millionen Umsatz wie die Metro duckt sich weg.“

Die Idee von FairTrade entstand in den 80ern. Die großen Handelsmultis sollten ihr Preisdumping nicht an abhängige Erzeuger weitergeben. Die Bauern erhalten einen ordentlichen Preis für Kaffee, Kakao oder Früchte. Sie lassen ihre Kinder lernen statt arbeiten, gründen Gewerkschaften, machen Gewinn. Der fließt dann in Anschaffungen und Neubauten der Erzeugerkommune – wofür, entscheidet sie demokratisch. Damit das Ganze bezahlbar und auch transparent bleibt, gibt es bei FairTrade niedrige Vermarktungshierarchien, der Weg vom Feld bis zum Verbraucher ist gerade.

Aber die Produkte können bei der „gnadenlosen Preisklopperei“ nicht mithalten, sagt TransFair-Chef Overath. 80 Prozent des sozial verträglichen Kaffees gehen nur im Sonderangebot aus den Läden, weil Jacobs und Tchibo einfach zu billig auf dem Markt sind. Und obendrein noch nie selbst einen Biokaffee auf den Markt gebracht haben.

Die Kaffeebauern allerdings lassen sich gern auf giftfreien Anbau ein. „Wir rennen bei denen offene Türen ein“, sagt Overath. „Obwohl die Umstellung auf ökologische Erzeugung sehr kosten- und beratungsintensiv ist.“ Am ehesten schaffen das die Produzenten, die durch fairen Handel ein Polster haben. Mit ihren Bioernten tun sie dann für sich ganz neue Märkte auf.

Zwar bleibt das TransFair-Siegel zuallererst ein soziales, aber die Ökokriterien stehen bei immer mehr Waren auf der Checkliste – das bringt ein zweites Standbein für den fairen Handel. Umgekehrt denken auch die Umweltschützer um: Für Verbraucherschutz reichen nicht knallharte ökologische Forderungen. Um die können sich die Produzenten nur in stabilen Verhältnissen kümmern.

Harald Kächele vom BUND Berlin beschreibt eine neue Richtung in der Ökodiskussion. „Das gehört einfach zusammen: Ökologische Produkte, die fair gehandelt werden“, so Kächele zum künftigen Markt. Aus der Politik gibt es Rückhalt: Die Verbraucherschutzministerin Künast will mehr Durchsichtigkeit überall da, wo Essen hergestellt wird. Dabei solle man auch die Produktionsbedingungen in der Dritten Welt beachten. Overath hofft, dass mit dem kostenintensiven Biotrend nicht nur die Supermarktketten eine schnelle Mark verdienen, „sondern nach all den Skandalen ein etwas nachhaltigerer Trend bleibt“. Und dass Künast „nicht zu schnell die Luft ausgeht“. Kollege Trittin nahm im Dezember die neue Ökoschokolade der Gepa entgegen. Die hat vor allem eine Herkunft. Overath: „Viele Kinder glauben ja, dass die lila Kühe die Schokolade machen.“ Schlechte Zeiten für die Kühe. Die Ökokakaobohnen kommen per FairTrade aus Ghana.