: „Ich war der Quotenhalter“
Zwischen dem Sean Connery und dem Roger Moore von „Wetten, dass . . . ?“ gab’s auch einen George Lazenby, den keiner mehr kennt: Zwischenmoderator Wolfgang Lippert über Wolfgang Lippert, über Kollegen und sein kurzes Gastspiel beim ZDF
Mit einem Riesensatz sprang Wolfgang Lippert am 26. September 1992 aus den Kulissen: „Guten Abend, ich bin der Neue. Ich komme jetzt öfters.“ Öfters war genau neun Mal, dann kam Thomas Gottschalk wieder. Dabei war Lippert quotenmäßig ganz passabel, doch die Presse urteilte den Moderator als peinlich bis infantil ab.
taz: Welchen Platz nehmen Sie denn nun eigentlich in der Geschichte von „Wetten, dass . . .“ ein?
Wolfgang Lippert: Elstner ist der Erfinder, Gottschalk der Dienstälteste – ich war der Quotenhalter. Die Zahlen waren gut. Das spricht für die Sendung, ein bisschen aber auch für den Präsentator.
„Glück muss man haben“ hieß Ihre erfolgreichste Sendung im DDR-Fernsehen. Bei „Wetten, dass . . .“ war’s mit dem Glück nicht ganz so weit her . . .
Ich hatte eine Menge Glück, dass ich die Sendung überhaupt gemacht habe, und bin auch stolz darauf. Das Problem war: Ich war in dieser Sendung nicht ganz ich. Eigentlich frotzele ich gerne rum, mache Blödsinn. Aber hier hatte ich manchmal einfach zu viel Ehrfurcht vor der Situation. Und ich habe mich beeindrucken lassen von Ratschlägen wie: Du musst seriöser sein, mehr so wie Elstner – sonst heißt es, du willst Gottschalk nachahmen. In meinen früheren Sendungen in der DDR war ich viel frecher.
Stefan Raab ist frech, Harald Schmidt ist frech – aber Sie?
Bisher ergab sich einfach nicht die Möglichkeit, gesamtdeutsch meine komplette Persönlichkeit vorzustellen. Frech bin ich schon, aber nicht zynisch. Ich stelle Menschen ungern bloß – obwohl ich das sehr gut könnte. Aber ich will es nicht.
In der Presse kamen Sie damals nicht gut weg.
Es gab schon positive Stimmen, aber auch negative. Mir sind Sachen unterstellt worden, zum Beispiel dass ich Leute begrapsche. Hab ich Sie heute schon begrapscht?
Das ZDF hat ihnen die Sendung nach etwas mehr als einem Jahr wieder weggenommen. Was lief hinter den Kulissen ab?
Mein Vertrag ging ja nur über ein Jahr. Das hatte ich mir selber ausgesucht. Ich habe mir gedacht: Wenn du gut bist, kannst du immer noch verlängern – vielleicht sogar mehr Gage fordern. Als der Vertrag ausgelaufen war, hat der Intendant entschieden, dass ihm Gottschalk an dieser Stelle wichtiger ist als Lippert. Ich sollte eine andere Sendung bekommen.
Haben Sie sich nicht gewehrt?
Ich habe relativ spät davon erfahren. Professor Stolte, der Intendant, hat dann sehr lange mit mir darüber geredet, aber ich konnte ja schlecht Widerspruch einlegen. Klar hätte ich’s lieber weitergemacht, und ich war sehr traurig. Aber es war ja keine Entscheidung gegen mich, sondern eine für Gottschalk. Das ist wie am Theater, wenn der Hauptdarsteller umbesetzt wird. Was mir erst neulich eingefallen ist: Thomas und ich hätten die Sendung ja auch abwechselnd moderieren können – er eine Ausgabe, dann ich eine.
War das ein Ost-West-Konflikt?
Nein, auch wenn einer hineininterpretiert wurde.
Lag es aber vielleicht am Ost-Bonus, dass Sie die Sendung überhaupt bekommen haben?
Ein bisschen vielleicht. Ein Ost-Moderator war damals schon etwas Exotisches. Aber es war sicher nicht der einzige Grund. Ich hatte ja schon viele Samstagabendshows moderiert.
Und . . .?
Ich war frisch beim ZDF, hatte Events moderiert wie „500 Jahre Post“. Dann hörte ich, dass Thomas mit der Sendung aufhören will. Daraufhin bin ich einfach ins Büro vom damaligen Unterhaltungschef Wolfgang Neumann und hab gesagt: „Falls du niemand findest: Ich würd’s machen.“
Seine Reaktion?
Er hat unheimlich gelacht. Drei oder vier Wochen später rief er mich dann an und sagte: „Können wir uns treffen? Dein Leben wird sich verändern.“ Das war im Januar 1992, ein drei viertel Jahr vor meiner ersten Sendung.
Um was beneiden Sie Thomas Gottschalk?
Um gar nichts.
Schätzen Sie wenigstens was an ihm?
Dass er ein guter Moderator ist. Und ich schätze persönliche Dinge an ihm. Ich war jetzt über Weihnachten eine Woche lang bei ihm in Malibu. Wir haben uns sehr lange unterhalten und haben festgestellt, dass wir doch viele Gemeinsamkeiten haben.
Ihr erstes Gespräch, seit Sie 1993 die Show an ihn zurückgegeben haben?
Nein, wir haben uns schon mal sehr lange unterhalten, 1996 bei der 100. Sendung in Düsseldorf.
Gab es etwas zu bereinigen?
Zwischen uns weniger. Nein, ich glaube, dass jeder von uns das Bedürfnis hatte, dass wir mal miteinander sprechen.
Was macht „Wetten, dass . . .“ eigentlich so erfolgreich?
Es gibt ein ursprüngliches Erfolgsgeheimnis: David gegen Goliath. Dass da einer ist, der es allen zeigt. Einer läuft zur Hochform auf, die anderen schauen zu. Und es ist für alle ein Riesenvergnügen. Mittlerweile gibt es noch einen zweiten Grund für den Erfolg: Es ist ein nationales Ereignis mit einer langen Tradition.
Wird die Nation Sie auch mal wieder sonnabends sehen?
Ich spiele jetzt erst einmal Theater in Berlin, im Sommer stehe ich bei den Störtebeker-Festspielen auf Rügen auf der Bühne. Voraussichtlich ab September habe ich im Kinderkanal eine Sendung, mit der ich Kindern die Politik näher bringen möchte. Wenn eine Samstagabendshow frei wird, melde ich mich einfach wieder beim zuständigen Unterhaltungschef. Wie gehabt.
INTERVIEW: ALEXANDER KÜHN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen