So wild nach deiner Erdbeermarmelade

„Faster Pussycat! Kill! . . . Kill!“. Im Jungen Theater Göttingen treffen sich Alexa Hennig von Lange und Russ Meyer

Es gibt Theaterabende, die allein durch die Kombination ihrer Bestandteile wirken. Kombiniert man Alexa Hennig von Lange mit Russ Meyer, könnte das insofern reizvoll sein, als die senkrecht gestartete Popliteratin nach einer Blutauffrischung aus dem Geiste der Sixties gestärkt im literarischen Raum steht.

Alexa Hennig von Lange nähert sich inzwischen ihrem dreißigsten Lebensjahr und servierte vor vier Jahren mit ihrem Debüt „Relax“ das volle Raveprogramm: Langweilen, Abtanzen, Kiffen, Vögeln, Koksen, Abhängen, Langweilen. Sie ließ einen zweiten Roman und letztes Jahr mit „Mai 3D“ einen Tagebuchroman folgen, in dem sie zusammen mit zwei Kollegen Rollenprosa zu Papier brachte – ihr männliches Alter Ego erlebt dort die erste Sinnkrise und wird Vater.

Hennig von Langes Annäherung an Russ Meyers Tittenfantasien könnte man nun als Schritt in Richtung einer neuen Sinnkrise deuten. Im Visier hatte sie einen Altmeister, der sich Ende der Sechziger entschieden seinem fünfzigsten Geburtstag näherte. Zuvor allerdings hatte er mit Softpornos wie „Faster Pussycat. Kill! Kill!“ noch schnell Killerweiber auf der Leinwand verewigt, die sabbernde Männer in der kalifornischen Wüste mit ihrer Oberweite ins Schwitzen brachten. Die lasziven Mörderinnen mit Körbchengröße 90F lebten ihre Instinkte in enthemmten Gewaltorgien aus. Das Ganze hatte natürlich auch einen emanzipatorischen Subtext. Endlich durften Frauen zugleich schön, intelligent, verdorben und brutal sein.

Angesichts heutiger Splattermovies wirkt das Ganze eher nett. Nett wirkt auch, dass Alexa Hennig von Lange die „Satansweibern von Tittfield“ – so der deutsche Titel der Pussycats – mit ihrem Roman „Relax“ gekreuzt hat. Was dabei herauskam, durfte man vor der Uraufführung nicht lesen. In der Regel bedeutet das, dass der Text noch nicht fertig ist oder dass ein Autor sich wichtig machen will. Im Falle von „Faster Pussycat! Kill! . . . Kill!“ ist das Ganze einfacher gelagert. Es gibt wohl gar nicht viel zu lesen. Alexa Hennig von Lange hat an der Geschichte von Tura, Rosie und Billy nicht viel verändert, und Russ Meyers Busenwunder sind bekanntlich alles andere als gesprächig.

Also besteigen sie spontan ihre heißen Flitzer – in Göttingen sind es Bananenkisten –, und ab geht’s in die heiße Wüste, wo die ersten Opfer warten. Der nette Tommy scheidet im Blutrausch dahin. Seine engelsgleich-naive Linda bleibt in Geiselhaft, bis die Titten-Crew mitsamt Geisel vor einer desolaten Farm landet, in der ein perverser Daddy mit zwei muskel- und samenstrangstrotzenden Söhnen lauert. Hier in the middle of nowhere nimmt das Ganze ein barbarisches Ende. Zuvor allerdings setzt Hennig von Lange in ihrer sparsamen Neubetextung des Epos auf naive Brechungen. Tommy etwa darf beim Todes-Picknick mit einer Zeile aus „Relax“ sagen, seine allerliebste Linda hätte denn doch lieber Erdbeer- statt Kirschmarmelade auf die Brote schmieren sollen.

In diesem Moment treten aber schon die rote Rosie, Billy-Blondie und Todesengel Tura auf und schleichen derart lasziv im waschecht nachempfundenen Rodeo-Rund, dass Russ Meyers Titti-Ikonen wieder unter uns zu sein scheinen. Regisseurin Christina Friedrichs lässt in der neuen Göttinger Kultstätte des jungen deutschen Theaters die gewalttätige Wüstenatmosphäre der Sixties tatsächlich wieder aufleben – Linda (Bettina Lohmeyer) steht wie ein gehetztes Wild vor den lauernden Tigerinnen und verfällt allmählich dem Wahnsinn. Christina Friedrich hatte auch die Idee zum Russ-Meyer-Remake. Warum sie meinte, einen Text bei Alexa Hennig von Lange bestellen zu müssen, bleibt ein Geheimnis. JÜRGEN BERGER