SV Trantüte ist wieder da

■ Doch nur charakterschwache Ballstatisten: Werder verpennt den Sprung nach vorne und landet im Mittelmaß / 1:2 gegen Lautern / Hat Mannschaft die Schlafkrankheit?

So sind sie halt, die Werder-Fans: Als immer noch Flanke um Flanke in den Lauterer Strafraum segelte, als die Grün-Weißen, planlos zwar, aber immerhin, sich stemmten gegen die dräuende Niederlage – da verließ das viel zahlende Publikum gleich in hellen Scharen das Weserstadion. Mit der einen Hand wütend abwinkend, mit der anderen den geronnenen Geifer aus den Mundwinkeln wischend. Aber Achtung! Nicht dass das Klapp-Sitzkissen in den Dreck rutscht! So sind sie halt, die Werder-Fans von der Südtribüne aus der Abteilung Besserverdiener, wenn die hanseatische Grundmauligkeit mit ihnen durchgeht. So waren sie halt am Sonntagabend. Grauslig! Und man muss sie geißeln Mal um Mal. Bloß diesmal... Sonntagabend... hatten sie schon Recht. Ausnahmesweise... Irgendwie...

Also: Werder gegen Lautern, der Achte vergeigt daheim gegen den Tabellenvierten mit 1:2, war ja nach der Papierform ein denkbarer Ausgang ist. Nur, ach!, dass das Denkbare manchmal so denkbar blöd daherkommen muss! Zumindest, wenn man's aus der Bremer Perspektive betrachtet. Der neutrale Zuschauer hat ein ziemlich unterhaltsames Fußballspiel gesehen. Wenn auch kein sonderlich hochklassiges. Was vor allem an den Bremer Ballkünstlern lag. Vielmehr an jenen, die solche darstellten.

Von derlei Ballstatisten gab's eben an jenem Abend zu viele. Weshalb das Bremer Publikum mit seinem Ärger auch ganz und gar nicht alleine war. Es traf sich mit der Stimmungslage des heimischen Übungsleiters. Der war vor allem wegen der Defensivarbeit seiner Truppe in der ersten Halbzeit stocksauer: „Wir waren überall dabei“, grantelte Thomas Schaaf nach dem Abpfiff. „Nur überall mit Sicherheitsabstand.“ Heißt: Wenn die Lauterer in Richtung Frank Rost kombinierten, dann wurden sie von ihren Bremer Berufskollegen nicht wirklich gestört. Insbesondere auf den Außenbahnen, vor allem auf der linken Lauterer Seite, konnten sich die Gäste mit einfachsten Kurzpässen flott vorwärts bewegen. Wenn der ansonsten harthölzerne Spieler Strasser zum erfolgreichsten Vorlagengeber wird – dann sagt das eigentlich alles.

Mal guckte Herr Frings hinterher, mal war der Absicherungsbeauftragte Trares (in Vertretung Eilts) irgendwo, nur nicht da, wo der Ball war, mal stand Herr Barten viel zu weit weg vom Gegner... sinnlos, Einzelne in die Kritiker-Tonne zu tunken, die komplette Bremer Mannschaft schien von der 2000er Schlafkrankheit befallen zu sein. Da stand genau der SV Trantüte auf dem Platz, den sowohl Publikum als auch Trainer nach der Werder-Siegesserie seit Neujahr überwunden gewähnt hatten. Falsch gewähnt. Die bitterste Lehre des Spieltages aus Bremer Sicht lautet wohl: Der Charakter dieser Mannschaft lässt höhere Tabellenplätze nicht zu.

Dass bei diesem Spiel für die Bremer trotzdem reichlich Torchancen heraussprangen, vor allem in Halbzeit zwoo, als die Pfälzer UEFA-Cup-Helden langsam müde wurden, dass diese Chancen allesamt ungenutzt blieben, dass der ansonsten schlimmblind umherwuselnde Ailton erst einen Elfer rausholte, um den gleich ebenso schwach wie ungenau in die Arme von Lautern-Keeper Koch zu daddeln – es passt ins Bild. Es passt ins Bild einer Mannschaft, von der alles Mögliche ausging, nur nicht der Wille, den möglichen Sprung in die Tabellenspitze auch wirklich zu wagen. Und nicht nur von UEFA-Cup oder gar Champions League daherzuschwadronieren.

Was für eine Konstellation bei Anpfiff: Hertha und Dotmund hatten vergeigt, die Schalker und die Kölner nur einen Punkt geholt, mit den Lauterern waren direkte Konkurrenten zu Gast. Und die waren auch noch müde vom UEFA-Cup-Einsatz und mussten auf Weltmeis- ter Djorkaeff und Jungstar Klose verzichten. Was für eine Konstellation! Was für eine Chance! Was für eine Pleite! „Wir woll'n euch kämpfen sehn!“, skandierte der nimmermüde Ostkurven-Anhang ungefähr Mitte der zweiten Halbzeit. Vergebene Liebesmüh.

Am Können konnt's nicht liegen, das haben die letzten Wochen bewiesen. Es lag wohl doch am Wollen. Weshalb Werder mit dieser Leistung genau da gelandet ist, wo diese Mannschaft wohl doch auch hingehört. Im Mittelmaß. Weshalb Trainer Schaaf seine Arbeit wohl auf das wichtigste Fußballer-Organ konzentrieren kann. Das liegt zwischen den Ohren. Weshalb das grundmaulige Bremer Publikum... grauslig... schrecklich... unsympathisch... ausnahmsweise: Recht hatte. Jochen Grabler