: Der Mann mit der Mütze
Schön, wenn die Zahnspangen sich nach dem Knutschen nicht mehr trennen wollen und der Teufel alle seine Glöckchen auf einmal klingeln lässt: Badly Drawn Boy spielt heute Abend im ColumbiaFritz
von GERRIT BARTELS
Er ist ein reichlich komischer Kerl, dieser Damon Gough aus Manchester, in der Popwelt auch bekannt unter seinem Künstlernamen Badly Drawn Boy. Hat immer diese rotweiß gestreifte Wollmütze auf dem Kopf und fühlt sich ohne sie nur als halber Mensch, ordne sie doch mitunter das viele wirre Zeug in seinem Kopf; als sie ihm einmal gestohlen wurde und der Dieb sie bei einer Auktion hinterlegte, deren Erlöse dem Kosovo zugute kommen sollten, ersteigerte Gough sie für 5.000 Mark zurück.
Gern gibt er auch zu, ein richtiger Kindskopf zu sein, der nicht erwachsener dadurch geworden ist, dass er vor kurzem Vater eines Töchterchens wurde. Im Gegenteil: Er freut sich darauf, wenn seine Tochter zwei, drei Jahre älter ist und er jemand hat, mit dem er so richtig kindische Sachen machen kann! Zu guter Letzt hat er irgendwann noch durchblicken lassen, einer seiner Helden sei Bruce Springsteen. Was nicht nur komisch, sondern gar ein Frevel ist in einem Land, wo man stolz auf seine Popmusik und den dazugehörigen Glamour ist und Leute wie Springsteen noch nie für den letzten Schrei gehalten hat.
Andererseits kennt man sich ja gerade in England gut aus mit komischen Vögeln, und nach all dem Gewese um Britpop und Oasis, um Travis und den anderen neuen, biederen Ruhigen, war es anscheinend Zeit, dass da mal wieder jemand kam, der nicht in die typisch britischen Popraster passte. Zumal die Musik des Badly Drawn Boys mit Springsteen kaum was gemein hat.
Ein Singer und Songwriter ist er, aber einer, der weiß, dass man dafür nicht authentisch sein muss; dass man sich bedienen darf aus dem großen Vorrat der Popmusik der letzten fünfzig Jahre; und dass man auch allein in seinem Zimmer mit dem entsprechenden Equipment eine Platte aufnehmen kann, die so reichhaltig ist, so voll ist von Ideen, Gimmicks und schönen Songs, dass sie eigentlich von einer Band mit mindestens drei Leuten aus der Kreativabteilung stammen müsste; die so klingt, als wären eine ganze Reihe Musiker mit Geigen, Glöckchen und Gitarren dabei gewesen.
„The Hour Of The Bewilderbeast“ heißt dieses Teufelswerk, das ihn nach einigen EPs und einem Gastauftritt bei James Lavelles Unkle-Projekt letztes Jahr halbwegs berühmt machte, ihm den Titel „britischer Beck“ eintrug und auch einen richtigen Preis: den der britischen Kritiker, den Mercury Music Prize – was immer das nun heißen mag. Preise gibt’s ja mittlerweile im Pop-Business wie Sand am Meer, und ernst genommen werden sie auch noch, wenn man sich einfach mal die Berichterstattung der bürgerlichen Medien anschaut. Doch wo Kompetenz fehlt, sind Preise immer gut.
Egal. „The Hour Of Bewilderbeast“ hat es verdient, doch mehr noch hat es verdient, von noch viel mehr Teens, Twens und Thirtysomethings als bisher gehört zu werden. Es löst genau die Vorgaben des Badly Drawn Boy aus seinem Opener „The Shining“ ein: einfach nur ein bisschen Sonnenschein in unser aller Leben bringen zu wollen.
Und es entspricht von seiner Stimmung her in etwa genau der Handlung eines seiner Videos: In diesem fährt der Badly Drawn Boy zwei nicht ganz so hippe Teenager aus der Vorstadt in ein Krankenhaus. Der Grund: Die beiden hatten sich beim Knutschen so in ihre Zahnspangen verkeilt, dass sie nicht mehr voneinander loskamen. Das kann einem mit „The Hour Of Bewilderbeast“ auch passieren.
Heute ab 20.30 Uhr, ColumbiaFritz,Columbiadamm 8–11, Tempelhof
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