Richards Comeback

Mit „Der Widerspenstigen Zähmung“ feiert das Ballett der Komischen Oper gleich auch das eigene Überleben

Das Ballettensemble der Komischen Oper ist verladen worden, und das gleich mehrfach: von der Politik, Intendanten und Choreografen. Die Senatsverwaltung für Kultur hat ihm vier Jahre lang unter dem Etikett BerlinBallett eine Reform in Aussicht gestellt, die größere künstlerische Eigenständigkeit und Unabhängigkeit in Budgetfragen durch eine Fusion der Ballettcompagnien aller drei Opernhäuser versprach.

Als ersten Beitrag zum Umbau stimmte der Intendant Albert Kost einer Verschlankung des Ensembles zu. 20 Tänzer mussten gehen. Doch die Reform geriet ins Stocken. Zum einen, weil sie von den Opernhäusern kaum mitgetragen wurde, die Staatsoper an ihrem alten Ensemble festhielt und die dringend notwendigen Besetzungen von Positionen der künstlerischen Leitungen mit Verweis auf das BerlinBallett in Gründung blockiert wurden. Zum andern, weil sie in dem Konflikt um eine Neukonzeption der Opernhäuser zur nachgeordneten Verhandlungsmasse geriet.

Richard Wherlock war der erste Choreograf, der unter dem Label BerlinBallett an die Komische Oper geholt wurde. Einen neuen Stil brachte der Chefchoreograf nicht mit, sondern konventionelle Tänze und anbiedernde Unterhaltung, die das Vertrauen in eine innovative Kraft des BerlinBalletts nicht gerade förderte. Auch er entschloss sich bald mit neun seiner Tänzer, die Unbeweglichkeit der Berliner Institutionen Richtung Basel zu fliehen.

Das brachte das Ensemble an den Rand der Auflösung. Sechzehn Tänzer seien kein Ensemble mehr, befand die Leitung und sprach acht weiteren Mitgliedern die Nichtverlängerung ihrer Verträge aus. Auf den frei werdenden Etat setzten schon der neue Intendant der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius, und der Choreograf Joachim Schlömer Hoffnungen, um eine Compagnie für zeitgenössisches Tanztheater zu gründen.

Nur knapp wurde das Ende des Balletts in der Komischen Oper abgebogen. Im jüngsten Beschluss des Kultursenats zur Bühnenstrukturreform bleiben die Ballette in den drei Opernhäusern erhalten. Vom Vorhaben der Stärkung ihrer Eigenständigkeit ist nur die Ausweisung eines eigenen Budgets geblieben. In der offiziellen Diktion der Senatsverwaltung für Kultur heißt auch diese Notlösung übrigens noch BerlinBallett. Ein mageres Ergebnis, das kaum mehr auf eine Entstaubung des Berliner Ballettlebens hoffen lässt. Und doch nach dem Geschmack des Ensembles, das nach vier Jahren Murks und unter der Drohung der Auflösung erstmals öffentlich eingestand, nie an die Funktionsfähigkeit eines BerlinBalletts geglaubt zu haben.

So feierte das Tanzensemble der Komischen Oper am Sonntag mit der Premiere von Wherlocks letzter Choreografie „Der Widerspenstigen Zähmung oder: Kates Comeback“ zugleich das eigene Überleben. Das Stück, das zwei und eine halbe Stunde dauert, hat den Geschmack einer Jubiläumstorte, die mit viel Zucker gestreckt wurde. Das Szenarium orientiert sich an Musicals. Mit Musik der Filmkomponisten Nino Rota und Enno Morricone, einer blinkenden Revuetreppe und funktionslos herumhummelnden Filmpersonal soll ein wenig Cinecittà auf die Bühne gezaubert werden.

Der schwache Abklatsch des Glamourösen wirkt jedoch, als wolle sich das Ensemble damit auf Stellen in TV-Shows bewerben. Die Komik bleibt in den Kostümen stecken und in den Karikaturen selbstverliebter Impresarios, die mit viel Handgewedel und zusammengekniffenen Pobacken durch eigens aufgebaute Türen hinein- und hinausrennen. Mit Comedy und Slapstick will das Stück konkurrieren und verliert. Genauso wie die Rolle der Kate in Koketterien stecken bleibt, statt widerspenstig aus dem Klischee auszubrechen, liebäugelt die Inszenierung mit Fernsehformaten. Jedes Konzept hingegen, den Performance-Charakter von Tanz zu nutzen, fehlt an diesem Haus.

Nun müsste man diese Regression des künstlerischen Profils nicht so bedauern, erweckten die Tänzer nicht auch in den tumbesten Beinwürfen noch den Anschein, die Kraft zu anderem in sich zu tragen. Als sähe man hoch entwickelten Rennmaschinen zu, die sich als Trabis in die Kurve legen. Ihre Körper haben mehr Esprit und Ausstrahlung als die Handschriften ihrer Choreografen. Im Haus beginnt jetzt das Spiel von vorn. Alles starrt wieder gebannt auf die verschlossenen Türen, hinter denen nach einem neuen Ballettdirektor gesucht wird.

KATRIN BETTINA MÜLLER

Komische Oper, Behrenstraße 55-57, Mitte