Von indischen Göttern und anderen Superhelden

Daddeln mit Krishna: Eine US-Firma rekrutiert das Personal für ein neues Computerspiel aus dem Pantheon des hinduistischen „Mahabharata“-Epos

Auf der Suche nach neuen Stoffen für Computerspiele ist die kalifornische Firma „Purple-Drop“ kürzlich auf das indische „Mahabharata“-Epos gestoßen. Die darin erzählten Geschichten des unüberschaubar großen hinduistischen Pantheons scheinen geradezu ideal für diese Form der medialen Aufarbeitung: Unentwegt werden dort Kriege geführt, die einzelnen Gottheiten wechseln die Gestalt so unkompliziert wie Comicfiguren und führen auch ansonsten ein sehr turbulentes und ereignisreiches Abenteuerleben.

Kein Wunder also, dass sich „Purple-Drop“ vom Verkauf des neuen Krishna-Game Profite bis zu 200 Millionen US-Dollar ausrechnet. Doch ganz unbeschwert können die Spieldesigner nicht an die Gestaltung der riesigen Menschen- und Götterscharen gehen, die für die Mahabharata-Game-Version als Darsteller gebraucht werden. Immerhin handelt es sich um ein religiöses Sujet – und man stelle sich bloß einmal den Aufschrei vor, würde sich eine PC-Spiele-Firma an biblischen Motiven versuchen und eine wilde Jesus-Verfolgung oder ähnliches kreieren ... Rajhamsa Das, Vizepräsident der „International Society for Krishna Consciousness“, prophezeite darum der Firma „Purple Drop“ zumindest auf dem indischen Markt Probleme mit der mehrheitlich hinduistischen Bevölkerung, da das Spiel religiöse Gefühle verletzen könnte.

Auszuschließen ist das angesichts der immer stärker werdenden Hindu-fundamentalistischen Strömungen in Indien zwar nicht. Genauso gut könnte sich aber auch der gegenteilige Effekt einstellen. Denn die Göttergeschichten des „Mahabharata“-Epos wurden in Indien seit eh und je mit dramaturgischer Finesse – und somit: Unterhaltungsabsicht – künstlerisch dargestellt, in der Malerei, in den Götterreliefs der Tempel, vor allem aber auch im Volkstheater. Auch für den „Vater des indischen Kinos“, D. G. Phalke, war es eine nahe liegende Entscheidung, in seinem ersten Film die bekannte Mahabharata-Geschichte „Raja Harishchandra“ (1913) zu erzählen. Das Publikum war von der neuen Filmtechnik begeistert: Endlich konnten die Götter all das, was man sich bislang auf der Bühne immer hinzudenken musste – fliegen, mit Feuerwagen reiten, allein gegen riesige Armeen und furchtbare Ungeheuer kämpfen. So entwickelte sich das Kino in Indien schnell zu einer Art religiöser Kultstätte, zur Stummfilmzeit waren 70 Prozent aller im Land produzierten Filme so genannte Mythologicals.

Der Religionswissenschaftler Peter Antes bezeichnete den Hinduismus einmal als „eine Art Supermarkt der Religionen, der auch für den ausgefallensten Geschmack noch ein Angebot bereithält.“ Insofern darf der Hinduismus als die wohl Kino-kompatibelste Religion der Welt bezeichnet werden. Später übernahm das indische Fernsehen die Funktion der medialen Religionsübermittlung: TV-Serien über das Leben Krishnas, der übrigens 16.108 Frauen hatte, sind sichere Einschaltquoten. Als die erste Variante lief, sollen die Angestellten von „Central Railways“ einmal die Abfahrt eines Expresszugs vor lauter Begeisterung um eine Stunde verzögert haben, um eine besonders wichtige Episode nicht zu verpassen.

Vor diesem Hintergrund scheinen die grundsätzlichen Bedenken gegen das neue Spiel nicht allzu gravierend. Ratsam wäre es indes, würden sich die Kalifornier nicht allzu weit von der Original-Vorlage entfernen. Denn das könnte in Indien, wo selbst Straßenkinder, die nie einen Tag in der Schule waren, genau Bescheid wissen über das Intimleben von Hanuman, Krishna, Sita und Ganesh, tatsächlich unvorhersehbaren Folgen haben. DOROTHEE WENNER