Ein gelassener Klassiker

Der amerikanische Schriftsteller Louis Begley eröffnet heute die Buchmesse in Leipzig

von DIRK KNIPPHALS

Glückwunsch nach Leipzig. Dort haben sie den amerikanischen Schriftsteller Louis Begley gewinnen können, heute Abend die Frühjahrsbuchmesse zu eröffnen. Eine mehr als überzeugende Wahl, und zwar nach allen Maßstäben, die sich für einen solchen oft ja im Repräsentativen stecken bleibenden Anlass denken lassen.

Der Eröffnungsredner muss bekannt sein, er muss – natürlich – gut reden können, er sollte eine Beziehung zur Literatur haben, aber darüber hinaus sollte er noch für etwas außerhalb der Literatur stehen. Das alles trifft auf Begley zu. Außerdem hat der Mann noch eine rare Eigenschaft: Er besitzt – sagen wirklich alle, die ihn auf seinen zahlreichen Deutschlandbesuchen in den vergangenen Jahren getroffen haben – gelassene Souveränität. Klar ist es heikel, Vorschusslorbeeren zu verteilen. Aber diesmal liegt man sicher nicht falsch, wenn man voraussagt, dass es heute Abend im Leipziger Gewandhaus eine interessante Rede werden wird.

Dass Louis Begley, dessen neuer Roman „Schmidts Bewährung“ in diesen Tagen erschienen ist, sich in gerade mal zehn Jahren fast schon den Ruf eines Klassikers der amerikanischen Literatur erschreiben konnte, gehört zu den größten Unwahrscheinlichkeiten, die der internationale Buchbetrieb zu bieten hat. Allein schon, dass er seit 1991 immerhin sechs Romane auf hohem literarischem Niveau geschrieben hat, versteht sich nicht von selbst. Kommt hinzu, dass er mit Ende fünfzig überhaupt erst anfing zu schreiben; dass er da bereits eine überragende Karriere als Anwalt in New York hinter sich hatte; und dass er 1933 unter dem Namen Ludwik Begleiter als Sohn polnischer Juden in Polen geboren wurde und den Holocaust nur knapp als Katholik getarnt überlebte, was er in seinem Debütroman „Lügen in Zeiten des Krieges“ verarbeitete. 1947 emigrierten er und seine Eltern in die USA.

Damit aber ist man mit den Unwahrscheinlichkeiten noch nicht am Ende. Louis Begley ist jemand, der zu den höheren Kreisen New Yorks gehört und sich über den Klassencharakter der amerikanischen Gesellschaft keine Illusion macht. Er ist ein Opfer des Antisemitismus; und es gelingt ihm doch, uns den milden Antisemiten Albert Schmidt als Titelhelden seines neuen Romans sympathisch zu machen. In einem Interview hat er nur halb im Spaß erklärt, dass er alle Menschen für böse hält, und doch ist er von einer unbändigen Neugier auf Menschen gekennzeichnet. Ein Widersprüchlicher, wie er sich gewaschen hat.