Castor-Schutz mit Risiko

Beim Atomtransport sind nur niedersächsische Polizisten gegen Strahlung versichert

BERLIN taz ■ Wenn der Castor rollt, entsteht für die Polizisten, die ihn schützen sollen, eine absurde Situation: Gegen mögliche Strahlenschäden sind sie nur versichert, wenn sie Niedersachsen sind.

Nur das Land Niedersachsen erkennt seit 1998 „mögliche Gesundheitsschäden anlässlich der Begleitung von Transporten mit radioaktiven Stoffen“ als Dienstunfall an. Erkrankt etwa ein Polizeibeamter aus Niedersachsen in einigen Jahren tatsächlich an Krebs, so wird er nur nachweisen müssen, dass er früher zum Schutz eines Castor-Transportes eingesetzt war. Dann kann er einen Dienstunfall geltend machen, der ihn versorgungsrechtlich besser absichert. Für seine neben ihm stehenden KollegInnen aus Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen oder vom Bundesgrenzschutz hingegen gilt dies nicht. Bei einer Berufsunfähigkeitsrente kann das nach Angaben der „Kritischen Polizisten“ einen Unterschied von 1.000 Mark ausmachen.

Mit der Wiederaufnahme der Atommülltransporte nach Lubmin und Gorleben geht auch die Diskussion um eine mögliche Strahlengefährdung der PolizeibeamtInnen wieder los. Für Thomas Brunst von der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten“ ist es unverständlich, „dass die Berufsvertretungen der Polizei den bevorstehenden Castor-Transporten relativ unbekümmert einen Unbedenklichkeitsstempel aufgedrückt haben“.

Das Thema hatte polizeiintern zeitweise für Wirbel gesorgt, nachdem bei den Transporten in die Wiederaufbereitungsanlagen im französischen La Hague und im britischen Sellafield im April 1998 „nicht fest anhaftende äußere Kontaminationen“ festgestellt worden waren. Im Juni 1998 hatte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) daraufhin erklärt: „Bis zur lückenlosen Aufklärung können wir zurzeit niemandem empfehlen, an den Einsätzen anlässlich eines Atommülltransportes teilzunehmen“.

Der Beschluss der größten deutschen Polizeigewerkschaft kam damit praktisch einem Aufruf zur Verweigerung derartiger Einsätze gleich. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Bundesgrenzschutz-Verband gaben sich kämpferisch. Noch im Frühjahr letzten Jahres erstellten sie einen gemeinsamen Forderungskatalog an die Politik und verlangten „eine nachweisliche Sicherheitsgarantie“.

Davon ist heute keine Rede mehr. Alle Forderungen seien erfüllt, sagt Hans-Jürgen Marker von der GdP. „Momentan besteht keine akute Gefährdung der Einsatzkräfte.“ Alle PolizistInnen in der Nähe der Transportbehälter würden mit Dosimetern ausgestattet, die Beamten sollten nicht länger als eine Stunde bei einem Mindestabstand von zwei Metern von den Fahrzeugen eingesetzt werden. Demgegenüber weisen die „Kritischen Polizisten“ darauf hin, dass schwangere Polizistinnen nicht zur Begleitung der Konvois eingesetzt werden und Versicherungen mögliche Strahlenschäden durch Castoren nicht versichern. Die GdP hat inzwischen auch die übrigen Bundesländer und das Bundesinnenministerium aufgefordert, alle PolizistInnen gegen die Strahlengefahr abzusichern wie das Land Niedersachsen. Geschehen ist jedoch nichts. „Demnächst“, so Hans-Jürgen Marker, werde die GdP erneut die Initiative zu einer solchen Verpflichtungserklärung aller Innenministerien ergreifen. Doch für die jetzt anstehenden Transporte ist es dann zu spät.

OTTO DIEDERICHS