Kommentar
: Übernächstenliebe

■ Warum es bei der Ambulanz Hohenfelde um Leben und nicht um Ängste geht

Drogenabhängige – klar sind das auch nur Menschen. Aber bitte woanders. Dieser Geist, in dem die Bürger von Hohenfelde die Auseinandersetzung um die Heroinambulanz führen, ist erschreckend. Noch erschreckender ist, dass die CDU sich auf diesen Zug der Gefühle und Ängste setzt und sie noch schürt. Beiträgt zum Szenario von den in den Büschen lauernden Dealern, die kleine Kinder auf dem Weg zur Schule anfixen und abhängig machen. Dabei wissen wohl die meisten Jugendlichen, wo es in dieser Stadt Drogen gibt. Ob sie sie kaufen oder nicht, hängt allerdings nicht davon ab, ob der Dealer am Rande des Schulwegs steht oder ein paar hundert Meter weiter.

Die Behörde ihrerseits hat entweder nicht erkannt, dass man selbst mit geballtem Sachverstand keine Gefühle ändert. Oder sie setzt sich darüber hinweg, weil sie am Ende doch allein entscheidet. Warum hat sie zur Anhörung nicht Menschen mobilisiert, die nicht aus politischen oder medizinischen, sondern persönlichen Gründen für die Ambulanz sind? Warum hat sie nicht auch Eltern Drogenabhängiger und ehemalige Abhängige eingeladen? Die hätten erzählen können, dass es nicht um ein lustiges Leben mit staatlich verordnetem Stoff, sondern ums Überleben geht. Und vielleicht irgendwann um das, was als normales Leben gilt.

Einen Kindergarten will ein Vater in dem Gebäude stattdessen einrichten und erntet Applaus. Denn Kinder sind ja lieb. Aber Kinder werden groß. Und man kann all den aufgeregten Hohenfeldern nur wünschen, dass ihre Kinder dann keine Drogen nehmen. Auch wenn ihnen ihre menschenverachtende Polemik dann vielleicht vergehen würde. Sandra Wilsdorf

siehe Bericht Seite 26