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Spotlights aus Afrika III: Addis Abeba

taz-Korrespondent Peter Böhm unterwegs in Afrika, von Ost nach West. Dritte Station ist die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba und ein kleines Hotel, ein lauschiges Refuguim, das Einblick gibt in die Wohnverhältnisse des Landes

Es hat eine Weile gedauert, bis ich herausgefunden habe, was es mit der Desta Pension in Addis Abeba auf sich hat. Die Gäste waren fast ausschließlich junge Paare, und aus den Nebenzimmern waren auffällig oft Stöhnen und rhythmisch quietschende Betten zu hören. Dennoch war ich mir sicher, dass es kein Stundenhotel sein konnte, denn die jungen Paare kamen ab und zu ins Fernsehzimmer, und einer der jungen Männer stellte mir sogar seine Freundin vor.

Bei meinem dritten Aufenthalt dort nahm ich meinen Mut zusammen und fragte den Pensionswirt, Herrn Tadesse, der seitdem ein guter Freund von mir geworden ist, welche Gäste er denn so habe. „Das sind junge Paare, die nicht heiraten können“, sagte er. Ein gemeinsames Haus zu kaufen oder zu bauen, könnten sie sich nicht leisten, und wenn, dann nur ganz draußen, sodass der Weg zur Arbeit unbezahlbar wird. Einzelne Wohnungen gibt es in Addis Abeba nur sehr wenige. Und dass die jungen Leute im Elternhaus ungestört sein könnten, ist im prüden Äthiopien ausgeschlossen.

In Herrn Tadesses Elternhaus mit sieben Zimmern und leicht schiefen Wänden haben die jungen Paare ein lauschiges Refugium gefunden. Auf den Betten liegen dunkelrote Satin-Steppdecken, auf den Tischen stehen Plastikblumen, und an den Wänden hängen jene weichgezeichneten Poster, die ich mit deutschen Mädchenzimmern in der Phase zwischen den Pferden und der Pubertät verbinde. Ob man daraus auf die Sexualität der jungen Leute in Äthiopien schließen kann oder nur auf Herrn Tadesses Geschmack, weiß ich nicht.

Aber mir ist aufgefallen, dass die Paare unheimlich lange reden, bevor sie ... nun ja, Sie wissen schon. Und auch Herr Tadesse bestätigt, dass sie sich beschweren, die von ihm vorgegebenen zwei Stunden seien viel zu kurz. Bezahlen müssen sie dafür je nach Größe des Zimmers zwischen fünf und sieben Mark fünfzig, für die ganze Nacht jeweils eine Mark mehr.

Natürlich hat Herr Tadesse in einer so konservativen, vom orthodoxen Christentum geprägten Gesellschaft wie der äthiopischen schon oft Schwierigkeiten mit aufgebrachten Eltern bekommen. Aber mit dem ihm eigenen Zynismus verteidigt er sich: „Geschäft und Skrupel gehen nicht zusammen.“ Und er verhehlt auch nicht, dass er die Pension vor sechs Jahren ursprünglich eröffnete, um seine Rente aufzubessern. Nun wird der 64-Jährige nächstes Jahr in ein frischgebautes Haus am Stadtrand einziehen.

Die zentrale Lage, die billigen Zimmer und das gute Essen haben die Desta Pension auch noch für ein anderes Klientel attraktiv gemacht. Nachdem sie in einen englischsprachigen Reiseführer aufgenommen wurde, hatte Herr Tadesse das Haus voll mit Travellern. Doch dann kam der Krieg gegen Eritrea, die Touristen blieben weg, und Herr Tadesse vermietete wieder ausschließlich an junge einheimische Paare. Am Anfang kommentierte er den Krieg noch mit Euphorie. Nach einer Weile jedoch siegte sein Geschäftssinn. Die Eritreer zu deportieren, war eine dumme Idee, sagte er dann. Nun sei keiner da, der ihre Geschäfte weiterführen könne. Andere gute Kunden wurden an die Front geschickt. „Ich sehe sie nicht mehr. Ich habe mich schon gefragt, ob sie vielleicht tot sind.“ Mit einem Wort: Der Krieg hatte Herrn Tadesses Geschäft geschadet, und das ließ ihn am Ende zum überzeugten Kriegsgegner werden. Auch dafür habe ich eine Weile gebraucht, um das herauszufinden. Aber das ist wieder eine andere Geschichte .

Seit Anfang des Jahres ist Peter Böhm in Afrika unterwegs und berichtet regelmäßig in der taz: Alltägliche Begegnungen, Eindrücke am Wegesrand, Erzählungen aus Schwarzafrika jenseits der Horrormeldungen und Katastrophen, die das Bild des Kontinents hierzulande bestimmen.

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