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Es wird ernst im Wendland

Tag des Bahnübergangs bei Castor-Protest: Polizei kesselt DemonstrantInnen ein und räumt Sitzblockade in Wendisch Evern weg  ■ Von Heike Dierbach

Das muss schief gehen. Der dicke Gefangenenbus schiebt sich in den Waldweg um zu wenden – schon hängt er an den Bäumen fest. Seine zukünftigen Insassen johlen: „Schieben, schieben!“ und „Bei dem steigen wir aber nicht ein.“ Schließlich schafft er es doch noch – und der Festnahmetrupp beginnt, die nächste Fuhre aus dem Polizeikessel abzuräumen.

Eigentlich wollten die rund 150 Menschen gestern Mittag vom Camp Nahrendorf zu einer Mahnwache am nächsten Bahnübergang. Doch noch in Sichtweite des Camps hat die Polizei sie eingekesselt, weit vor der 500-Meter-Zone, in der das Versammlungsverbot gilt. „Weil einige Personen vermummt waren – also per se unfriedlich“, sagt der so genannte Konfliktmanager der Polizei. „Weil sie Polizeibeamte angegriffen haben“, sagt der Einsatzleiter. „Weil in der Nähe Gleise unterhöhlt wurden“, sagt der Pressesprecher, „die hängen jetzt einen Meter in der Luft“: Es ist der „Tag des Bahnübergangs“ im Wendland.

Mit jedem Kilometer, den der Castor näher kommt, wird die Stimmung angespannter. Nun kreisen nicht mehr zwei, sondern acht Hubschrauber unablässig über Feldern, Wäldern und Höfen. Und während zum Beispiel in Hitzacker die DemonstrantInnen noch direkt auf dem Bahnübergang lagern, die Straße bemalen und Volleyball spielen können, lässt die Polizei hier in Nahrendorf nicht mit sich reden – trotz Vermittlung durch drei „Konfliktlotsen“ des Kirchenkreises Lüneburg/Bleckede.

Drei Stunden stehen die DemonstrantInnen nun schon im Kessel. „Ich muss langsam pinkeln“, sagt einer. Der Moral tut das keinen Abbruch. „Kaffee, Kaffee, Kaffee“, ruft die Menge , und „Duplo, Duplo, Duplo“.

Nach vier Stunden ist gerade mal die Hälfte der DemonstrantInnen abgeräumt. Die Polizei zieht den Kessel enger, an den renitenten Ecken werden die Ketten verdoppelt. Trotzdem gelingt es einem Mann, durchzubrechen und in den Wald zu laufen. Aber die Szene endet nicht wie im Robin-Hood-Film: Die Schergen des Sheriffs holen ihn ein und legen ihm Handschellen an.

Dann geht Jubel durch die DemonstrantInnen: Die Nachricht ist durchgekommen, dass in Wendisch Evern 1500 Leute auf den Gleisen sitzen. Überall kann der Sheriff seine Leute nicht haben. Lange währt das nicht: Am Abend räumt die Polizei die Blockade. Mehrere Blo-ckiererInnen werden von der Polizei nach Lüneburg gebracht, der Sprecher der Initiative X-tausendmal quer, Jochen Stay, wird festgenommen. Ihm wird „Rädelsführerschaft“ vorgeworfen, da er „zu Straftaten aufgerufen“ habe.

Bei Redaktionsschluss drohte die Polizei, das gesamte Camp Nahrendorf zu räumen, da, so der Vorwurf, aus dem Camp Straftaten begangen worden wären.

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