Im Dickicht der Frequenzen

Eine Hausgemeinschaft in Moabit wehrt sich gegen Mobilfunkantenne auf dem Dach. Die gesundheitlichen Auswirkungen solcher Anlagen sind umstritten. Ein Krebsriskio ist nicht auszuschließen. Doch Gerichte entscheiden meist gegen die Mieter

von DANIEL FERSCH

Bernd Overwien präsentiert seinen Besuchern gern den beeindruckenden Blick aus seinem Wohnzimmerfenster. Vom fünften Stock des Hauses in der Moabiter Spenerstraße aus betrachtet, liegt einem das neue Kanzleramt samt Regierungsviertel direkt zu Füßen. Diese Lage scheint es auch der Mannesmann Mobilfunk GmbH angetan zu haben. Anfang des Jahres installierte sie eine Sendestation für ihr Netz auf dem Dach über Overwiens Wohnung.

„Das Ding steht direkt über dem Schlafzimmer meines achtjährigen Sohnes“, beschwert sich der Erziehungswissenschaftler. Von Recherchen im Internet weiß er, dass von Mobilfunkantennen ausgehende elektromagnetische Felder gesundheitsschädlich sein können. Doch mindestens genauso wie die potentielle Gefahr für seine Familie erregt ihn das Verhalten seiner Hausverwaltung. Keiner der Mieter sei vor der Installation informiert worden, betont Overwien. Deswegen habe er die Initiative ergriffen und die Hausgemeinschaft gegen die Anlage mobilisiert. In einem Schreiben, das Unterschriften von 21 weiteren Mietern trägt, habe er die Hausverwaltung aufgefordert, die Inbetriebnahme der Anlage zu unterbinden. Weil keine Reaktion erfolgt sei, werde die Hausgemeinschaft eine einstweilige Verfügung gegen die Inbetriebnahme der Anlage einklagen.

Die Gefährlichkeit der Sendeanlagen ist unter Wissenschaftlern umstritten. Mobilfunkantennen senden elektromagnetische Wellen in hohen Frequenzbereichen. Diese hochfrequenten Felder haben auf biologische Organismen unterschiedliche Wirkungen. „Die thermischen Effekte, das heißt die Erwärmung und Schädigung von Körperzellen, sind bereits ausreichend erforscht“, sagt Peter Neitzke vom Ecolog Institut für ökologische Forschung in Hannover. Würden die bestehenden Grenzwerte eingehalten, wäre in dieser Hinsicht nichts zu befürchten. „Über die möglichen nicht thermischen Auswirkungen ist praktisch noch nichts bekannt“, fährt der Forscher fort. „Einen endgültigen Beweis dafür haben wir vielleicht erst in zehn bis zwanzig Jahren.“ Nach heutigen Wissensstand seien aber Beeinflussungen der Gehirnfunktionen und Krebsbildung nicht auszuschließen.

Auf welch schwammigen Grund sich die Diskussionen um den so genannten Elektrosmog bewegen, zeigen abenteuerliche Vermutungen von selbst ernannten Experten. So behauptet die Anti-Mobilfunk-Initiative „Bürgerwelle e. V.“ mit den Handystrahlen die Ursache für BSE gefunden zu haben. „BSE“, verkündet die Gruppe auf ihrer Homepage in schönstem Fachkauderwelsch, „entsteht durch Drehimpulse an gesunden Molekülen, nicht durch Infektion mit neuen Viren.“ Schuld daran seien natürlich die bösen elektromagnetischen Felder.

Tatsache ist jedoch, dass der unsichtbare Wellensalat über Großstädten immer dichter wird. Insgesamt 1.247 Mobilfunksendeanlagen gibt es alleine in Berlin. Wegen des Handybooms und der Einführung der neuen UMTS-Frequenzen ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen.

Dass die Genehmigung von Anlagen in Wohngebieten ein sensibles Thema sei, bestätigt auch Werner Hugentobler von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. Im Fall der Spenerstraße sieht der Behördensprecher jedoch keine Gesundheitsgefährdung. „Die Antennen senden ihre Signale in der Hauptstrahlrichtung waagrecht aus“, so Hugentobler, darunter liegende Wohnungen seien also nicht betroffen.

Vor diesem Hintergrund sind auch die Erfolgschancen der Hausgemeinschaft vor Gericht schwer einzuschätzen. „Mir ist bisher nur ein einziges Urteil bekannt, das eine Mobilfunkantenne als Mietmangel anerkennt“, sagt Frank Maciejewski vom Berliner Mieterverein, „fünf weitere Klagen wurden dagegen abgelehnt.“ In dem Urteil des Münchner Amtsgerichts ging der Richter davon aus, dass alleine die Furcht der Mieter vor Gesundheitsschäden eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens sei. Den Mietern wurde darauf ein Anspruch auf zwanzigprozentige Mietminderung zugesprochen.

Für Bernd Overwien wäre eine solche Entschädigung jedoch keine akzeptable Option. Falls er auf dem Rechtsweg keinen Erfolg habe, will er mit seiner Familie in letzter Konsequenz aus der Wohnung ausziehen.