Gleichstellung steht auf der Kippe

Mit ihren Gleichstellungsplänen stößt Frauenministerin Christine Bergmann auch beim Kanzler auf Widerstand. In einem Spitzengespräch mit der Wirtschaft will dieser heute klären, „was machbar ist“ – und ob es überhaupt ein Gesetz geben wird

von NICOLE MASCHLER

Eigentlich sollte das zwischen der SPD und den Grünen vereinbarte Gleichstellungsgesetz noch vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden. Doch nun scheint auf einmal das ganze Gesetz auf der Kippe. Denn nicht nur die Wirtschaft läuft Sturm gegen die Pläne der Frauenministerin – auch der Kanzler lehnt das von Christine Bergmann gerade vorgelegte Arbeitspapier ab.

Für heute hat Gerhard Schröder daher ein Spitzengespräch im Kanzleramt anberaumt, an dem neben Bergmann auch der parteilose Wirtschaftsminister Werner Müller, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sowie der Chef des Bundesverbandes der Industrie (BDI), Michael Rogowski, teilnehmen. Die Runde solle prüfen, so eine Regierungssprecherin, „was machbar und wünschenswert ist“. Die Regierung werde jedenfalls versuchen, die Wirtschaft nicht übermäßig mit bürokratischen Forderungen zu belasten.

Damit scheint die Richtung bereits vorgegeben. Denn die Gewerkschaften werden morgen im Kanzleramt nicht mit am Tisch sitzen. Erst am 4. April will sich Bergmann mit dem DGB-Frauenausschuss treffen. Dann könnte es aber bereits zu spät sein: Dass es möglicherweise überhaupt kein Gesetz geben wird, wollte die Regierungssprecherin jedenfalls am Freitag nicht ausschließen.

Schröder hat am Entwurf seiner Frauenministerin offenbar wenig Gefallen gefunden. Dabei waren die Eckpunkte, die Bergmann im Herbst vorgelegt hatte, mehr als moderat: Zunächst sollen die Betriebe mit Gewerkschaften und Betriebsräten über die im Gesetz festgeschriebenen Mindeststandards verhandeln. Erst wenn die Selbstverpflichtung nicht greift, drohen in einem zweiten Schritt Gleichstellungspläne und eine Frauenbeauftragte. Die Firmen haben immerhin zwei Jahre Zeit, ihre Unternehmenspolitik umzustellen.

Doch vor allem das Verbandsklagerecht, das Bergmann den Gewerkschaften einräumen will, falls die Betriebe die Gesetzesvorgaben nicht einhalten, stößt bei Schröder und Wirtschaftsminister Müller auf Kritik. Auch Bergmanns Plan, öffentliche Aufträge nur noch an Firmen zu vergeben, die sich bei der Frauenförderung hervorgetan haben, lehnt Müller laut Spiegel ab. Dies widerspreche dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, das bei Ausschreibungen keine sachfremden Kriterien erlaube.

Nach dem Streit um das Betriebsverfassungsgesetz fürchten der Kanzler und sein Wirtschaftsminister offenbar neuen Ärger, glaubt die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk. Tatsächlich lehnen die Arbeitgeber Bergmanns Gleichstellungspläne rundheraus ab.

Schon fürchten die Gewerkschaften, dass das im Koalitionsvertrag angekündigte Gleichstellungsgesetz verwässert. „Ohne Sanktionsmöglichkeiten“, so DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer, „hat das Gesetz nur den Charakter einer Bittstellung.“ Der DGB will daher von seiner Forderung nach einem Verbandsklagerecht auch nicht abrücken. „Wir wollen ein Gleichstellungsgesetz, aber auch ein wirksames“, betont Maria Kathmann, DGB-Referatsleiterin im Bereich Frauenpolitik. Doch wenn die Frauenministerin beim Gespräch im Kanzleramt alleine dastehe, ahnt auch Kathmann, „wird es haarig“.

Die Grünen wollen aber von ihren Forderungen nicht weiter zurückgehen. „Die öffentliche Vergabe muss nicht unbedingt in das Gesetz“, so Schewe-Gerigk. Wenn sich ein umfassendes Gesetz schon nicht durchsetzen lasse, dann müssten zumindest die Einzelmaßnahmen ein Paket ergeben. „Für uns ist das Ende der Fahnenstange erreicht.“