Gentechnik ohne Ethik

Senat veröffentlicht Bericht über Chancen und Risiken gentechnischer Forschung. In der Hauptstadt gibt es 331 Anlagen, von denen 88 risikobehaftet sind. Grüne vermissen gesellschaftlichen Dialog

von JULIA HARBECK

Seit Jahren brüstet sich Berlin damit, der „Gentechnologie-Standort“ in Deutschland zu sein. Über die Risiken der Gentechnik wurde jedoch nichts gesagt. Nun hat der Senat gestern erstmalig einen Bericht über „Chancen und Risiken gentechnischer Forschung“ vorgelegt.

Im Juli vergangenen Jahres hatte die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus einen Antrag gestellt, der das Thema Gentechnologie beleuchten solle. „Der ist verschleppt worden“, sagt Lisa Paus, grüne Sprecherin für Wirtschaft und Technologie. Eigentlich war eine Veröffentlichung schon vor einem halben Jahr geplant. „Im Senat weiß eine Hand nicht, was die andere tut“, kritisiert Paus.

Die Senatsverwaltung für Gesundheit betont in dem Bericht die Sicherheit: „Leitlinie des Gentechnikrechts ist der Schutzgedanke“, erklärt Senatorin Gabriele Schöttler (SPD). Für die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie steht hingegen nach wie vor das ehrgeizige Ziel im Vordergrund, die Hauptstadt führend in Sachen Biotechnologie zu machen. Biotechnologische Forschung erhält den Höchstförderungssatz.

Lisa Paus kritisiert, dass eine „notwendige ethische Diskussion“ dagegen überhaupt nicht stattfinde. Auch Bernd Köppl, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, zeigt sich enttäuscht. „Wir haben uns das genauer und detaillierter gewünscht.“ Die neue genbiologische Forschung brauche eine gesellschaftliche Kontrolle, forderten die Grünen mit ihrem Antrag. Köppl: „Die Daten und Fakten sind jetzt da, aber die Bewertung vermisse ich.“ Das müsse nachgearbeitet werden. „Wir brauchen den gesellschaftlichen Dialog“, so Köppl.

Laut Bericht gibt es derzeit 331 gentechnische Anlagen, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Diese beinhalten sowohl die Bereiche Forschung und Entwicklung als auch die Produktion. Eine der für die Anlagen geltenden Kategorien ist die Einteilung nach so genannten Sicherheitsstufen. In Sicherheitsstufe 2 sei von einem „geringen Risiko“ für die menschliche Gesundheit und die Umwelt auszugehen, in Stufe 3 von einem „mäßigen Risiko“. Laut Senatsbericht werden demnach insgesamt 88 riskante Anlagen im Stadtgebiet betrieben – 86 fallen in die Sicherheitsstufe 2. Zwei Anlagen, namentlich das Institut für Virologie und das Robert Koch Institut, tragen jeweils ein mäßiges Risiko in sich. In Sicherheitsstufe 4 und damit unter ein hohes Risiko fällt keine der Einrichtungen.

Die Genehmigung und Überwachung der Anlagen liegt beim Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi), das der Gesundheitssenatorin untersteht. Ein Mal im Jahr müssen Kontrollen durchgeführt werden. Das Lagetsi versteht sich als Anlaufstelle für Forschung, Wirtschaft und Verbraucher. „Der immer wieder geforderte Verbraucherschutz für die Stadt ist in unserem Haus zum größten Teil realisiert“, so Sprecher Robert Rath. Das Lagetsi ist unter anderem zuständig für die Zulassung von Medizinprodukten, klinischen Studien und Tierversuchen – eben auch im Bereich der Gentechnik.

Schwerpunkt der Forschung und Produktion ist die Medizin. Entwickelt werden mit Hilfe der Gentechnik vor allem neue Medikamente und Impfstoffe.