Kommentar: Mut der Verzweiflung
■ Warum, wer seine Lage erkannt hat, durch Polizei nicht aufzuhalten ist
5.36 Uhr. Diese Zeit sollten sich Atomwirtschaft und grüne PolitikerInnen merken: Es ist die Stunde ihrer Niederlage. Ges-tern morgen um 5.36 Uhr legte der Castor-Zug den Rückwärtsgang ein. Musste weichen vor einer Bewegung, deren Entschlossenheit ihre GegnerInnen unterschätzt hatten.
Wie konnte das geschehen? Haben doch Politik und Polizei dieses Mal versucht, jeden Widerstand im Keim zu ersticken. Vor allem durch das Verbot vieler Camps – das eigentlich nur eine Idee der Grünen gewesen sein kann: Denn die müssten sich ja noch erinnern, wie wichtig die Infrastruktur ist. Aber etwas anderes, noch wichtigeres haben sie vergessen, weil es schon fernab ihrer Lebensrealität ist: Den Mut der Verzweiflung. Denn es sind ja nicht nur die vier Einbetonierten, die den Castor gestern gestoppt haben. Es sind auch all die anderen, die dieser Aktion den Rückhalt geben, die Polizeikräfte an anderen Orten binden. Die sich sagen: „Jetzt erst recht“.
Wie kann man als GrüneR noch ruhig schlafen, wenn man im Fernseher sieht, wie die ehemaligen GenossInnen von den Gleisen gezerrt werden? Wie sie ihre Gesundheit riskieren gegen etwas, das man selbst beschlossen hat? Der Widerstand im Wendland, das ist seit gestern klar, ist diesmal noch entschlossener als beim letzten Transport. Weil den Menschen klar ist, dass sie jetzt allein sind, dass sie auf keine politische Vertretung ihrer Interessen mehr hoffen können. Und wer seine Lage erkannt hat, wie sollte der aufzuhalten sein?
Heike Dierbach
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