Bislang kein Pfennig Wiedergutmachung

Berliner Gericht lehnt Entschädigungsklage slowakischer Juden ab. Deren Verband will jetzt Berufung einlegen

BRATISLAWA taz ■ Der Zentralverband der jüdischen Gemeinden in der Slowakei ist mit seiner Wiedergutmachungsklage gegen Deutschland gescheitert. Am Mittwoch wies das Berliner Landgericht die Klage ab, mit der Begründung, der Verband sei nicht berechtigt, die Ansprüche der in deutschen Vernichtungslagern ausgerotteten slowakischen Juden einzuklagen. Dabei, so der deutsche Anwalt des Zentralverbands, habe die slowakische Regierung ihn als Träger eben dieser Ansprüche anerkannt.

Enttäuscht über die Entscheidung zeigte sich Fero Alexander, der Vorsitzende des jüdischen Zentralverbands der Slowakei. „Wir haben zwar nicht erwartet, mit unserer Klage gleich in der ersten Instanz durchzukommen, mit einer solchen Abweisung haben wir aber auch nicht gerechnet“, sagte er. Jetzt will der Verband Berufung einlegen, wenn nötig sogar bis vor die internationalen Gerichtshöfe gehen. „Aber das ist eine Frage der Zukunft“, so Alexander.

Allein im Jahre 1942 hat der slowakische Kriegsstaat 58.000 Juden in deutsche Vernichtungslager geschickt. Nur 282 kamen zurück. Die Deportationen basierten auf einem zynischen Geschäft: Auf deutschen Druck hin hatte der slowakische Staat der „Entjudung“ der Slowakei zugestimmt. Dabei verpflichtete er sich, dem deutschen Reich so genannte Umsiedlungskosten in Höhe von 500 Reichsmark für jeden deportierten Juden zu entrichten. „Die slowakischen Juden mussten für ihren eigenen Tod noch bezahlen“, erläutert Fero Alexander die Praxis der Deportationsgebühren. Bezahlt wurden sie aus dem Vermögen der Verschleppten.

Bis heute haben die slowakischen Juden keinen Pfennig Wiedergutmachung erhalten. Seit der Wende haben sie sich immer wieder mit ihrem Anliegen an Deutschland gewandt. Stets kam die gleiche Antwort – mal vom Finanzministerium, mal vom Bundeskanzleramt, mal vom Bundespräsidialamt: „Die Bundesrepublik Deutschland kann Ihnen eine Entschädigung nicht gewähren, weil es an den gesetzlichen und völkerrechtlichen Voraussetzungen dafür fehlt.

Einst war sie das Jerusalem Europas: Bratislava, Pressburg, Poszony – eine dreisprachige, multikulturelle Stadt mit ungefähr 60.000 Einwohnern. Rund ein Viertel waren Juden. „In der ganzen Tschechoslowakei gab es keine so tolerante Stadt wie Bratislava“, behauptet Katarina Löfflerova über ihre Heimatstadt vor dem Zweiten Weltkrieg. „Religion oder Nationalität interessierte niemanden, es hieß, wir Pressburger seien schon dreisprachig zur Welt gekommen“, erzählt die heute 92-Jährige.

Heute leben in Bratislava noch 700 Juden. Die Gaskammern von Auschwitz, Treblinka und Majdanek haben vom europäischen Jerusalem nicht viel übrig gelassen. Genauso wenig, wie von seiner einstigen Kultur- und Sprachenvielfalt. „Optimistisch, wie wir waren, sind wir nicht ausgewandert“, erinnert sich Löfflerova: „Wir dachten, in einem Staat, dem ein katholischer Priester vorsteht, passiert uns nichts.“ Die Leichtigkeit, mit der Priesterpräsident Jozef Tiso die slowakischen Juden ihrem Schicksal übergab, soll selbst Hitler überrascht haben.

Die dezimierten jüdischen Gemeinden der Slowakei kämpfen heute mit finanziellen Problemen. Es gilt, das kulturelle Erbe, rund 600 alte jüdische Friedhöfe und dutzende Synagogen, zu erhalten. Gerade dazu wäre eine Finanzspritze aus dem deutschen Wiedergutmachungstopf genutzt worden. Zu weiteren außergerichtlichen Verhandlungen seien sie aber bereit, unterstreicht Alexander. Eine konkrete Summe will er nicht nennen: „Klar ist, dass 1942 mindestens 18 Millionen Reichsmark an Deportationsgebühren gezahlt wurden.“ Je nach Koeffizient wäre das heute eine Summe zwischen 90 und 180 Millionen Mark. ULRIKE BRAUN