Vier Fäuste für ein Lied

■ Rocket/Freudental spielen Weisen des Proletariats in den Kleidern von Ironie und Trash - sie beenden das Musikprogramm der BAR

Es gab mal einen Mann mit Namen Mark Perry, der soll anno 1976 in London den Punk erfunden haben und sprach dazu die Worte: „Hier hast Du einen Akkord, da ist noch einer, nun geh und gründe eine Band.“ Das mag stimmen oder nicht, doch es bringt die Do-It-Yourself-Ästhetik des Punk treffend auf den Punkt. Dabei war es natürlich weniger die Beschränktheit der technischen Mittel, die Punk ausmachte. Das gab es schon in den Fünfzigern. Die Neuerung war vielmehr, dass die Erkentniss umgehend von zehntausenden Jugendlichen umgesetzt wurde. Das nennt man, in Kombination mit sozio-politischen Gegeben- und ästhetischen Besonderheiten seither landläufig die Punk-Revolution, und Menschen wie Greil Marcus schreiben sich darüber die Finger wund.

Was das alles mit zwei jungen Männern vom Neckar zu tun hat? Nicht so wenig, denn Robert Ro-cket und A.P. Freudental, auch bekannt als Rocket/Freudental, suchen den Brückenschlag zwischen den verschiedenen Inkarnationen des Punk. Als sie vor einiger Zeit mal in der Tower-Bar gastierten, da glaubte man noch den badischen Bastard-Sohn von Bo Diddley und Doo Rag vor sich zu haben. Die selbstgebauten Instrumente schepperten in synkopischen Blues-Rhythmen, ein Minimalschlagzeug gab den dichten Rhythmus vor, über den durch undurchsichtige Verzerrer gesungen und mit wurmstichigen Gitarren gespielt wurden. Das gab der Musik eine raubeinige Bodenständigkeit, die älter ist als die Sex Pistols und auf Menschen wie Hank Williams verwies.

Inzwischen reicht ihr musikalischer Horizont auch in die Neuzeit. Gerne rappt das Duo über klappernde Boom-Box-Beats oder lässt die Breakbeats zappeln, wie Happy Grindcore in ihrer Dancefloor-Phase. Überhaupt haben Rocket/Freudental entdeckt, dass Elektronik und Trash sich nicht ausschließen. Darüber bleiben die traditionalistischen 4/4-Punk-Rock-Sprints („Freiheit für Muff Potter“) natürlich eben so wenig auf der Strecke wie unbeschwerte Sing-Along Hymnen („Rocket/Feudenpak“).

Die verbindende Klammer der unterschiedlichen Einflüsse liegt jedoch nur zum Teil im Homerecording-Charme der Band. Ebenso deutlich wird die Musik auch durch die Texte zusammengehalten. So besingen Rocket/Freudental unentwegt in ungeschliffenem Deutsch die Freuden der Arbeiterklasse: „Wir mögens ehrlich, hart und roh/Wir wollen nicht in ein Büro/Wir pinkeln in ein Dixi-Klo.“ Ob auf dem Land oder auf dem Bau, hier schwillt die Arbeiterbrust noch mit sozialistischem Stolz. Und mit einem zwinkernden Auge.

Das macht Rocket/Freudental zu einer postmodernen Folkband, die all die deutschen Countryrocker zwischen Fink und Borrowed Tunes in einer Staubwolke der Selbstironie zurücklässt. Eklektisch zitiert ein Rocket/Freudental-Konzert aus dem „Mülleimer der Geschichte“ (Greil Marcus), ohne dass damit Anspruch auf etwas anderes als einen Abend voller Spass erhoben werden will.

Dass die Band dazu in der Lage ist, dafür spricht dann auch die Tatsache, dass Herr Rocket für gewöhnlich bei den Stuttgarter Frickel-Krach-Rockern von Midget für Unterhaltung auf der Bühne sorgt.

Gregor Kessler

Rocket/Freudental beenden am 3. April ab circa 21h das musikalische Rahmenprogramm jener BAR, die Hops Bornemann nach japanischem Vorbild im Künstlerhaus am Deich aufbaute und die zwei Wochen lang die Ausstellung japanischer Künstler mit Leben füllte.