Die Suche nach dem Sündenbock

■ Der Bremer Rechtsanwalt Ulrich von Behr hält die Attacke „Gemeinnützigkeit prüfen“ auf Robin Wood für fast aussichtslos

Die Innenminister der Küstenländer haben sich gestern darauf verständigt, dass gewalttätigen Castor-Gegnern die steuerliche Gemeinnützigkeit aberkannt werden sollte. Bremens Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) hatte bereits angekündigt, die Umweltschutzorganisation Robin Wood entsprechend zu überprüfen. Die taz fragte den Bremer Rechtsanwalt und Experten für Vereinsrecht, Ulrich von Behr, nach den Chancen einer solchen Aktion.

taz: Bremens Finanzsenator meint, dass allein die Ankündigung gewaltfreien Widerstandes genüge, um einer Organisation die Gemeinnützigkeit zu entziehen.

Ulrich von Behr: Das Einzige, was daran richtig ist, ist dass es ein entsprechendes Bundesfinanzhofsurteil von 1984 gibt. Ungefähr zehn Jahre später gibt es aber auch das berühmte, wenn auch juristisch umstrittene 2. Sitzblockadenurteil des Bundesverfassungsgerichts ...

Perschaus Ansicht ist überholt?

Ja. Das Bundesverfassungsgericht hat 1995 argumentiert, dass in der Zeit zuvor der Gewaltbegriff zu weit ausgedehnt worden sei. Es sinngemäß gesagt: Nicht jede Sitzblockade ist zugleich Gewalt.

Wie bewerten Sie die aktuellen Ereignisse?

Was jetzt im Wendland geschehen ist, war meiner Meinung nach keine Gewalt, sondern ziviler Ungehorsam. Damit würde dieses Urteil von 1984, was aber in der Welt ist, wohl in sich zusammenfallen.

Was ist Ihrer Meinung nach die Absicht von Herrn Perschau und seinen Kollegen?

Es ist ein politischer Angriff auf Robin Wood, um die finanzielle Grundlage zu entziehen.

Wie würde eine Gemeinnützigkeits-Prüfung aussehen?

Das Verfahren würde aller Voraussicht nach so ablaufen, dass das Finanzamt Bremen-Mitte den Abschluss des Jahres 2000, beziehungsweise des Jahres 2001, zum Anlass nehmen würde, zu fragen: Wofür habt ihr denn euer Geld ausgegeben? Aha, für Sitzblockaden! Ihr habt Kanthölzer bestellt – ich übertreibe jetzt –, aber die könnten das sagen. ,Ihr habt tonnenweise Nägel gekauft – und wir vermuten, die habt ihr für Sitzblockaden gebraucht. Weil ihr euch damit gegen die verfassungsmäßige Ordnung gestellt habt, wird eure Tätigkeit für 2001 rückwirkend als nicht gemeinnützig betrachtet.'

Mit welchem Ergebnis?

Das könnte unangenehme Folgen für alle Spender haben, die eine Spendenbescheinigung erhalten haben. Und dann geht es ja weiter: Solange dieses Verfahren läuft, müsste Robin Wood potentiellen Spendern sagen: ,Liebe Leute, wir haben da ein Verfahren laufen, und wir wissen nicht, wie es ausgeht.'

Und die Spender könnten dann ihre Spenden nicht mehr absetzen.

Dieser Angriff könnte jedenfalls Verwirrung stiften. Allein die Aussicht auf Überprüfung könnte bei Robin Wood zu Beeinträchtigung führen.

Wie beurteilen Sie die Chancen der Innenminister?

Es gibt zwei Voraussetzungen: Robin Wood muss erst einmal selbst zu Sitzblockaden aufgerufen haben. Das behauptet Herr Perschau bisher nicht. Zweitens: Wenn einzelne Mitglieder von Robin Wood das privat gemacht haben, dürfte das für die Gemeinnützigkeit des Vereins unschädlich sein.

Fragen: Milko Haase