Einen in der Krone

■ Merkwürdig: Dem Bremer Bäume-Kollektiv soll es im Jahr 2000 genauso gut ergangen sein wie im Vorjahr, obwohl Buche und Kiefer zunehmend Blatt & Nadel hängen lassen

„Ab ins Kollektiv!“ heißt es alle Jahre wieder für die Bäume Bremens, wenn Fachleute mit Blick für Blattschäden, Insektenfraß und anderen Baumschmerz durch die Forste streifen, und landesweit die „Waldschadenserhebung“ machen. Die Betrachtung der 187 Stichprobenpunkte mit ihren jeweils sechs Bäumen („Untersuchungskollektiv“) hat im Jahr 2000 widersprüchliche Ergebnisse gebracht, wie das jetzt der Umweltdeputation vorgelegte Papier belegt.

Knapp drei Viertel aller Bäume gelten demnach – wie auch im Vorjahr – als gesund, was der Senator für Bau und Umwelt im langfristigen Vergleich als „günstig“ bezeichnet – auch, wenn die Bremer Fichten traditionell vor sich hin siechen. Ende der 80er Jahre lag der Anteil der Bäume ohne sichtbare Schädigung, also einem Nadel- oder Blattverlust von unter zehn Prozent, hierzulande bei unter 40 Prozent. Auch im Bundesvergleich kommen die dezenten 786 Hektar Wald, die es insgesamt im Lande Bremen (13.483 Hektar) gibt, ganz gut weg: Schließlich gelten bundesweit nur noch 35 Prozent aller Bäume als kerngesund.

Doch die schönen Zahlen trügen: Gleichzeitig nämlich geht es den Bremer Buchen und Kiefern deutlich schlechter als 1999. Etwa die Hälfte der untersuchten Exemplare dieser Arten sind dem Waldschadensbericht zufolge krank. Etwa jede dritte Buche wies Blattverluste auf; auch stark geschädigte, nahezu vollkommen entlaubte Bäume (5,8 Prozent) wurden entdeckt. Als Grund für die angeschlagene Gesundheit der zwei Spezies erkannten die Vitalitätskundler die starke Bucheckernproduktion – was offenbar vom Nachteil ist – sowie das trockene Frühjahr 2000, welches von den Kiefern nicht goutiert wurde. Dazu kommen nach wie vor menschengemachte Umweltbelas-tungen, wie die amtlichen Blattbeschauer einräumen.

Merkwürdig also, dass die Schadenssituation die gleiche sein soll wie im Vorjahr – wo doch die angeschlagenen Buchen und Kiefern immerhin ein Viertel der Gesamtstichprobe ausmachen. Der Grund liegt in der Statistik verborgen, wird immer wieder als Argument gegen die Aussagekraft von Waldschadenserhebungen zu Felde geführt: Nahezu die Hälfte der Bäume, denen die Waldschadensforscher im vergangenen August in die Krone guckten, zählen zum Kollektiv der „Sonstigen Laubbäume“ wie beispielsweise Ahorn oder Linde, Birke oder Erle – und die gehören in Bremen fast ausschließlich zur Gruppe der unter 60 Jahre alten „jungen“ Bäume. Mehr als 90 Prozent davon sind gesund (über 60 Jahre: 40 Prozent); und ihre Vitalität nimmt zu. Auch den Kollegen von den „Sonstigen Nadelbäumen“ geht's Zucker. Die Folge: Durch den hohen – und zudem noch gestiegenen – Anteil an der Gesamtstichprobe werden die negativen Trends statistisch kompensiert. Die Vitalität des Nachwuchses verdeckt den Blick auf die kränkelnden Alten. Mit 66, so möchte man sagen, fängt das Leben eben nicht an. Zumindest bei Bäumen.

hase