Zwölf Jahre Haft für SS-Mann

Das Landgericht Ravensburg verurteilte gestern den früheren SS-Untersturmführer Julius Viel zu zwölf Jahren Haft. Aus reiner Mordlust habe dieser im Frühjahr 1945 sieben KZ-Häftlinge erschossen. Viel bestreitet die Vorwürfe und will in Revision gehen

von NICOLE MASCHLER

In einem der letzten NS-Prozesse der Nachkriegsgeschichte hat das Landgericht Ravensburg gestern den früheren SS-Untersturmführer Julius Viel zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Nach vier Verhandlungsmonaten sah es das Gericht als erwiesen an, dass Viel im Frühjahr 1945 bei Leitmeritz im heutigen Tschechien sieben jüdische Häftlinge erschossen hat. Der Angeklagte habe aus Mordlust und niedrigen Beweggründen gehandelt.

Im Frühjahr 1945 versuchten Wehrmacht und Waffen-SS, die Rote Armee bei Leitmeritz stoppen. KZ-Häftlinge mussten einen Panzergraben entlang der Elbe ausheben. Die Wächter, stellten die Ermittler später fest, töteten „wahllos aus Langeweile“. So wie Viel, damals Lehrgangsleiter an der Nachrichtenschule der Waffen-SS. „Auf einmal Karabinergeräusch. Laden. Schuss. So eine Gruppe von vielleicht sieben jüdischen Häftlingen. Fiel einer plötzlich um. Und dann die Tragödie, bis alle sieben weg waren.“ Der das berichtete, ist Adalbert Lallier, pensionierter Wirtschaftsprofessor aus Kanada und im Frühjahr 1945 einer von Viels Schülern bei der SS. Das Verfahren stützte sich vor allem auf seine Angaben. Jahrzehntelang habe es ihn bedrückt, so Lallier, dass ich „damals zu feige gewesen bin, einzuschreiten“. 1996 nahm er schließlich Kontakt zu dem Nazi-Jäger Steven Rambam auf, der den Rentner Viel im Allgäu aufspürte.

Bereits 1964 hatte es ein Ermittlungsverfahren gegen Viel gegeben. Doch als der Hauptbelastungszeuge starb, wurde das Verfahren eingestellt. Bis 1984 war Viel Redakteur, erhielt für seine Arbeit gar das Bundesverdienstkreuz.

Die Vorwürfe bestreitet Viel bis heute. Den Prozess hatte der 83-Jährige, der an Krebs erkrankt ist, nur mit schweren Medikamenten durchgestanden. Ihm blieb wenig Zeit, seine Dinge zu ordnen. Doch von Schuld will Viel auch jetzt nichts wissen. „Ich kann nur sagen, ich habe keine Häftlinge erschossen.“ Am Tattag sei er bereits abkommandiert gewesen.

Die Verteidigung versuchte denn auch, Lalliers Glaubwürdigkeit zu untergraben. Dieser hatte sich während des Verfahrens in Widersprüche verwickelt. Drei von ihm benannte Zeugen sagten aus, dass sie zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht am Tatort gewesen seien. Doch Lallier blieb bei seinen Vorwürfen. Der Richter in Ravensburg hielt ihn am Ende für glaubwürdig. Allerdings folgte er mit seinem Urteil nicht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hatte lebenslange Haft gefordert. Viel will nun in Revision gehen. Die Anschuldigungen, befand er schon zu Prozessbeginn, seien eine „bodenlose Unverschämtheit“.