Vier Filme in einem

■ Neu im Kino: Der bessere „From dust till dawn“. „Wild Zero“ singt (dröhnt) einen schrillen Hymnus auf den Punkrock

„Wild Zero“ (Japan 1999, Bundesstart 10/2000) ist wohl der beste Film aller Zeiten. Das liegt daran, dass es sich hierbei um eine schwer romantische Liebeskomödie handelt. Der junge, sympathische Ace – die 45kg-Ausgabe von Elvis Presley – betritt eine Tankstelle. Dabei schlägt er versehentlich einen autistischen Tankstellenräuber (ein Jimi-Hendrix-Look a like) nieder und rettet auf diese Weise die rehäugige, entzückend O-beinige Tobio. Kaum sind zwischen Held und Geretteter ein paar schüchterne Wortfetzen hin und her geflogen, bilden sich um die beiden zwei pinkfarbene Herzchen. Bis sie aber zueinander finden – und zwar natürlich für immer und ewig – müssen noch ein paar Schwierigkeiten bewältigt werden. Für deren Darstellung haben die Filmausstatter diverse Kübel Ketchup, geschmackvolle Plastiknachbildungen zerfetzter Innereien (besonders gelungen: die Darmschleifen und Halssehnen) und vermutlich jede Menge Marihuana verwendet; das Dope, um 100 Statisten (aus Kostengründen thailändische Soldaten, behaupten zumindest die Produktionsnotizen) dazu zu bringen, überzeugende Zombies abzugeben. Mit frankensteinisch baumelnden Armen und roten, wimperschlaglosen Augen gehen sie müde, aber zielorientiert ihrer Arbeit als Menschenfresser nach. Das Ergebnis ist nicht immer schön anzuschauen.

Man könnte die Story des Films chaotisch nennen. Und die ersten 15 Minuten haben sogar überhaupt nichts, was nach Story aussieht: Nach einer knuffig geschnittenen Episode in einem verkoksten, mit Perversionen reichlich gesegneten Punkrockschuppen springt der Film mittenmang auf eine versteppte Landstraße. Dort lernt der Zuschauer einen ganzen Haufen verschiedener Fahrgemeinschaften kennen und fragt sich, wie die Platz haben unter dem Dach einer einzigen Geschichte. Haben sie aber.

Vor Drehbeginn muss unter den Drehbuchschreibern die Frage aufgeworfen worden sein, ob man einen Film über Waffenschieber oder Zombies, über eine Ufo-Invasion oder einen Dokumentationfilm über die in Japan und Amerika angesagte, geniale Garagenrockband „Guitar Wolf“ drehen will. Diese Frage blieb offensichtlich offen – vielleicht klingelte ja gerade im ungünstigen Moment der Milchmann. Jedenfalls hat der Zuschauer auf diese Weise vier Filme in einem. Und in einem der seltenen ruhigen Momente wird sogar auch noch ein scholastischer Gottesbeweis geführt. Ace nämlich darf Tobio ausgerechnet dann zum ersten Mal küssen, als beide dem Tod ins rotumrandete Auge blicken – ein selten blöder Tatbestand, der seiner Meinung nach auf einen göttlichen Plan schließen lässt.

Aber eigentlich ist „Wild Zero“ weder „great psycho“ noch ein R'n'R-Zombie-Musical, wie das quietschbunte Plakat behauptet, sondern Rock'n'Roll-Philosophie pur. Wir lernen: 1. Kämme dich alle 5 Minuten. 2. Benutze dabei niemals rote Stilkämme. 3. Wenn du ohne Furcht bist, beißt kein Zombie in dich hinein und auch sonst geht alles gut. 4. Hast du die Lederjacke fürs Leben gefunden, lege sie nie wieder ab. 5. Für Frauen gilt dasselbe wie für Lederjacken. Zu diesen fünf Geboten walzen fette Punksongs über die Tonspur, permanent.

Wie David Fincher und viele andere hat der 1966 geborene Regisseur Tetsuro Takeuchi sein Handwerk bei Videoclips gelernt, unter anderem für „Guitar Wolf“. Entsprechend sind die Farben verfremdet, die Szenarien liebevoll mit 1.000 schrägen Details zugemüllt, die Perspektiven hüpfend. Und noch niemals wurde ein männlicher Urinstrahl so harmonisch ins Bild gesetzt, und das obwohl er (zumindest aus weiblicher Sicht) merkwürdig unregelmäßig fließt. Kurz vor Drehende erlitt Takeuchi übrigens einen Nervenzusammenbruch. Das passt. bk

Kino 46, Do 20.30 Uhr, Fr+Sa 22.30 Uhr