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Ewig in der Leitung

Super in der Disco: Mit dem Produzenten und DJ Etienne de Crécy kommt der Hauptverursacher des französischen House-Pop-Booms in den Tresor und stellt sein allerneuestes Album „Tempovision“ vor

von GERRIT BARTELS

Melancholisch veranlagte Menschen würden vielleicht von Tragik sprechen, sollten sie in diesen Tagen einen Gedanken an den französischen DJ und Produzenten Etienne de Crécy verschwenden: geht es doch rund um die Welt mal wieder nur um Daft Punk und ihre Maskeraden, um ihren Monsterhit „One More Time“ und das nicht weniger monströs gute Album „Discovery“. Französische Popmusik ist gleich Daft Punk geteilt durch Air, um es zugespitzt zu sagen.

Dabei hat Etienne de Crécy mit „Tempovision“ vor ein paar Monaten ein ebenfalls sehr gelungenes, längst aber nicht so abgefeiertes Album herausgebracht, und dabei ist es doch vor allem de Crécy, der den French Pop in die Spur gebracht hat. File under: Motorbass und Superdiscount, zwei Namen, bei deren Nennung selbst den härtesten Rockisten und Leuten, die seit Jahren nicht mehr in der Disco waren, die Groschen aus der Tasche fallen dürften.

Etienne de Crécy aber wäre kaum einverstanden, würde man ihm mit Tragik kommen, und so was wie Neid oder Missgunst kennt er auch nicht. Als er Ende letzten Jahres Interviews anlässlich der Veröffentlichung von „Tempovision“ gab, störte es ihn nicht die Bohne, dass er dauernd Fragen beantworten sollte, wann denn das neue Daft-Punk-Album kommen würde usw. usf.

Ein höflicher, etwas unscheinbarer Mensch, ein Mann, der nichts damit am Regler hat, auf einer Bühne die große Show zu machen, einer, der lieber im Hintergrund bleibt: Das war schon so, als er Anfang der Neunziger zusammen mit seinem Kumpel Philippe Zdar aus alten Chicago-House-Tracks, Disco, HipHop und ein bisschen Rock erste Tracks zusammenbastelte. Motorbass war geboren, verschwand dann aber praktisch mit der Veröffentlichung der ersten EP wieder von der Bildfläche: Zdar produzierte lieber HipHop-Acts wie MC Solaar, und auch de Crécy zog es vor, im Studio zu werkeln, produzierte und remixte erste Sachen von Alex Gopher oder Air und kümmerte sich um sein Label Solid. Erst 1996 veröffentlichten Zdar und er das revolutiönäre Motorbass-Album „Pansoul“: Sex, Disco, HipHop, und dazu pumpende und immer tiefer pumpende Bässe: Abfahrt, Hochspannung, Erlösung. Mit Motorbass hatte französischer Pop seit langer Zeit mal wieder richtige I a Exportware, einen klasse Markenartikel, dem weitere folgten, in erster Linie aber Etienne de Crécys Album „Superdiscount“, das so schön, toll, sexy und elegant klang, wie es aussah: gelb, gelber, am knallgelbsten, und quer drüber weiß auf schwarz der Schriftzug „Superdiscount“.

Bei so viel Superdiscostardom und so einer brillanten Platte ist es natürlich schwer, weiterzumachen und Neues zu produzieren, ohne dass dieses nur wie ein Aufguss klingt. Da sind es weniger Daft Punk, die Etienne de Crécy im Weg stehen, als vielmehr die gestiegen Erwartungshaltungen. Der Novelty-Effekt ist weg, und wäre „Tempovision“ nun der Ursprung der gesamten neuen französischen House-Schule, würde man wieder genauso vom Dach fliegen. Mit anderen Worten: „Tempovision“ ist ein Meisterwerk. Perfekt und ausgefeilt, aber warm und soulful. Und ein Album, das in sich geschlossen wirkt, das komisch anfängt mit Modembleeps, dann mit „Out Of Hands“ und „Am I Wrong“ seine ersten butterweichen Höhepunkte hat, von diesem Niveau kaum runterkommt und am Ende ganz locker auf vierzehn Minuten mit „Hold The Line“ ausklingt. Superdisco, superschön, eine Leitung, die wir ewig halten.

Heute, ab 23 Uhr, im Tresor, Leipziger Straße 129 a, Mitte

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