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In der Not hilft der Staat

Japans Premier Yoshiro Mori stellt Notpaket für Banken vor – und kündigt seinen Rücktritt an

aus Tokio ANDRÉ KUNZ

Die japanische Regierung hat gestern ein Notprogramm für den angeschlagenen Bankensektor verabschiedet, das mit dem beschönigenden Namen „Stabilisierungspaket für das Finanzsystem und zur Stärkung der Konjunktur“ daherkommt. Danach müssen die verbliebenen neun Geschäftsbanken des Landes innerhalb von zwei Jahren Problemkredite in Höhe von 12,7 Billionen Yen (220 Milliarden Mark) abschreiben. Zudem soll eine neue Institution geschaffen werden, die rund ein Viertel der von Banken gehaltenen Unternehmensbeteiligungen in der Höhe von insgesamt 47 Billionen Yen (800 Milliarden Mark) aufkaufen soll.

Trotz vieler Worte bleiben entscheidende Fragen offen: So fehlen in dem Programm konkrete Angaben über den genauen Zeitpunkt, an dem die geplante Institution ins Leben gerufen werden soll. Ebenso unklar ist, woher das dazu benötigte Kapital von schätzungsweise 11 bis 12 Billionen Yen (185 bis 200 Milliarden Mark) kommen soll. Was als großes Versprechen zur definitiven Bereinigung der seit zehn Jahren steigenden Problemkredite im Finanzsektor angepriesen wurde, dürfte sich nach Ansicht von Bankanalysten als ein ineffizientes Programm erweisen, das den dringend nötigen Reformprozess im Lande weiter verzögern wird. Nutznießer des neuen Stimulierungspaketes ist einmal mehr die ländliche Wahlklientel der regierenden Liberal-Demokratischen Partei (LDP). Sie profitiert vor allem davon, dass Regionalbanken von den härteren Bestimmungen bezüglich der Problemkredite ausgeschlossen sind.

Das Notprogramm trägt nach Ansicht von Ökonomen die Handschrift des konservativen Flügels hinter Premierminister Yoshiro Mori, der gestern vor dem japanischen Kabinett seinen Entschluss zum Rücktritt bekannt gab. Das Paket macht es Moris Nachfolger schwer, das wirtschaftspolitische Steuer kurzfristig herumzureißen.

Über den genauen Zeitpunkt seines Rücktritts wollte Mori gestern keine Angaben machen. Es wird aber erwartet, dass der unbeliebte Premier kurz nach den LDP-Parteipräsidentswahlen am 24. April aus dem Amt scheiden wird. An diesem Tag will Moris Partei einen neuen Chef wählen, der wegen der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Parlament gleichzeitig auch neuer Ministerpräsident werden dürfte.

Die Reaktion der Finanzmärkte auf das nunmehr elfte Notprogramm der japanischen Regierung innerhalb der letzten neun Jahre spiegelt unverhohlene Enttäuschung wider. Der Yen begab sich auf die von japanischen Politikern gewünschte Talfahrt, die Börse vermochte sich trotz formidabler Vorgaben der New Yorker Wallstreet nur knapp auf dem Vortagesniveau zu halten, und am Rentenmarkt stieg die Rendite für Regierungsanleihen am vierten Tag in Folge. An den Börsen mehren sich die Zweifel an der Reformbereitschaft der Regierenden, die Hoffnung auf Erholung der japanischen Wirtschaft sinkt.

Der für die Bereinigung der Problemkredite vorgegebene Zeitplan ist nach Ansicht vieler Analysten keine wesentliche Neuerung. Die Banken hatten intern schon im September 2000 einen ähnlichen Fahrplan beschlossen. Die angestrebte Summe von 12,7 Billionen Yen (216 Milliarden Mark) beruht allerdings auf einer Schätzung aus dem letzten September, die davon ausgeht, dass sich die japanische Konjunktur schon in diesem Jahr auf Erholungskurs befindet. Das Gegenteil ist aber der Fall. Analysten erwarten neue Problemkredite in Höhe von zusätzlich rund 4,6 Billionen Yen (78 Milliarden Mark), dafür sollen die Banken eine dreijährige Abschreibungszeit erhalten.

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