Dicke Luft und gute Laune

■ Der grün-weiße Anhang feiert Werder nach dem 3:1 gegen Hertha – und der Trainer hat schlechte Laune / Des Rätsels Lösung: Das Hin und Her um Andy Herzog

Draußen war Party: Die Bremer Spieler galoppierten jubelnd in Richtung Fankurve, der grün-weiße Anhang war lautstark in Feierlaune, die Werder-Welt war schwer in Ordnung. Nach dem historischen Sieg bei den Bayern hatten die Grün-Weißen nun die Hertha aus allen Titelträumen gerissen. 3:1 gegen Berlin, Platz sieben, die Hoffnung auf das internationale Geschäft hat neue Nahrung erhalten. Was so gar nicht passen wollte zur Stimmung drinnen in den Katakomben des Weserstadions. Da war Stunk. So schlecht gelaunt hatte man einen Sieger selten gesehen: „Schreibt halt meinetwegen, dass ich angefressen bin“, knurrte Werder-Trainer Thomas Schaaf die Journalistenrunde an. „Jeden Tag muss ich auf solche Fragen antworten. Dazu gibt's keinen Kommentar mehr.“ Dabei hatte der Kollege doch nur ganz harmlos mal nachgefragt, ob man Andreas Herzog nach so einer Leistung heiteren Herzens ziehen lassen könne. Schaaf: „Es stinkt mir!“ Und Ende der Durchsage.

Dabei hätte man doch nach diesem sonnigen Bremer Nachmittag reichlich über Andreas Herzog sprechen können, und zwar in den höchsten Tönen. Der – mal mehr, mal weniger - wanderungswillige Österreicher hatte eine grandiose Partie gespielt, hatte geflankt wie zu allerbesten Zeiten, hatte das Bremer Spiel immer wieder klug verlagert, gebremst, beschleunigt, wie es gerade gefordert war, hatte aus einem Wald von Berliner Beinen heraus noch in allergrößter Bedrängnis klügste Pässe geschlagen. Dieser Herzog ist für Werder wohl tatsächlich unverzichtbar – und war im Duell der Spielmacher klarer Sieger gegen Jungstar Deissler auf Berliner Seite. Der mühte sich zwar redlich, erarbeitete sich auch die eine oder andere Chance, aber mehr als Fleißkärtchen und einen Freistoß an den Pfosten konnte Deissler nicht für sich verbuchen. Die spielentscheidenden Impulse gingen von Herzog aus.

Gleich in der achten Minute zum Beipiel, als Herzog beim Eckball ganz selbstlos den besser postierten Banovic mit einem kurzen Zuspiel bediente. Der flankte butterweich in den Strafraum, wo Pizarro Nationalspieler Rehmer wie einen Anfänger stehen ließ und zum 1:0 einköpfte. Wie in der 65. Minute, als Herzog mit seinem x-ten Zuckerpass zum x-ten Mal Ailton auf die Reise in Richtung Hertha-Tor schickte, der zum x-ten Mal am glänzenden Berliner Keeper Kiraly scheiterte, dafür aber wiederum Pizarro den Abpraller über den verzweifelt sich reckenden Sverisson zur erneuten Werder-Führung ins Tor löffelte.

Es war das Spiel des Werder-Spielmachers und seiner Vorderleute. Die Hertha hätte sich nicht beschweren dürfen, hätte sie bereits in der ersten Halbzeit, vier Tore kassiert. So häufig tauchte allein Ailton immer wieder frei vor Kiraly auf, dazu auch mal Pizarro, Stalteri oder Frings. Allein: Sie trafen nicht. Hertha-Coach Röber hatte ganz auf Offensive gesetzt und seine beiden Defensivkräfte van Burik und Sverisson ohne Absicherung gegen Pizarro und Ailton spielen lassen. Und sie damit von einer Verlegenheit in die andere gestürzt. Denn in den Griff bekamen sie die Bremer Offensive nie. Die Niederlage der Berliner geht zu einem Gutteil auf Röbers Kappe.

Die Hertha konnte nämlich aus ihrem Übergewicht im Mittelfeld nie zählbares Kapital schlagen. Dazu stand die Bremer Defensive mit dem überragenden Krstajic und den zuverlässigen Baumann und Eilts wiederum viel zu sicher. Und auf den Flügeln war gegen Frings und Stalteri kaum ein Durchkommen. Nur Routinier Verlaat patzte ab und an. Und so war es auch kein Wunder, dass der Berliner Ausgleichtreffer durch Schmidt genau nach so einer Fehlleistung des Holländers passierte. Die spielerische Überlegenheit und damit auch die meisten herausgespielten Chancen hatten die Bremer. Vor allem Dank Andreas Herzog.

Der zum Hin und Her um seine Zukunft vorsorglich nichts mehr sagen will. Und vom Trainer kommt zu diesem Thema – siehe oben – eh nichts mehr. Dafür aber vom Sportdirektor. Er habe mit Herzog unter vier Augen gesprochen, erzählte Klaus Allofs. Sollte ein Club Herzog aus dessen laufenden Vertrag mit Werder auslösen wollen, „dann kann ich mir vorstellen, dass wir uns trennen.“ Ob es denkbar sei, dass sich Andreas Herzog noch einmal umentscheidet? Allofs: „Normalerweise nicht. Aber bei Andy muss man damit rechnen.“ Was für die Werder-Fans heißt, dass auch sie wieder mit allem rechnen müssen: Party im Stadion – und schlechte Laune in den Katakomben. Jochen Grabler