Lauda, die Mehrwegkiste

■ Inferno-Fahrer Niki Lauda macht selbst hartgesottene Reporter zu kleinen Kindern und die Beck's-Werbeabteilung glücklich: Er hilft, die neue Bierkiste zu promoten

Der Mann gehört zu den 70er Jahren wie Willy Brandt oder Cindy und Bert. Jeder Steppke wollte damals so schnell sein wie er, bis sich sein Rennwagen in einen Feuerschweif verwandelte. Aber Niki Lauda hat überlebt. Heute sind manche ehemalige Steppkes gestandene Kameraleute oder Fotografen. Aber der Anblick ihres Kindheits-Idols versetzt sie immer noch in Ekstase. Da tun abgesengte Augenbrauen oder brandnarbige Ohren keinen Abbruch – im Gegenteil, sie scheinen dem Ex-Formel-1-Helden einen zusätzlichen Nimbus zu verleihen. Anders ist die Aufregung kaum zu erkären: „Runter“, „Weg da, verdammt“ oder „Ist doch nicht zu fassen“ muss sich die Beck's-Hausfotografin aus den hinteren Reihen anschreien lassen. Auch ihr Chef, Geschäftsführer Dieter Ammer, ist überrascht vom Andrang der Presse: „So voll habe ich unser Besucherzentrum noch nicht gesehen.“ Auf der Jahrespressekonferenz von Bremens achtgrößtem Arbeitgeber ist das Blitzlichtgewitter nicht halb so heftig.

Aber der Pisten-Oldie wurde ja auch extra als Lockvogel eingeladen. Wie das traditionsbewusste Familienunternehmen ausgerechnet an den schnellen Niki als Werbepartner geriet? Nun, der Österreicher, der bei „seinem“ Rennstall Ferrari als Berater engagiert war, hatte sich eigentlich 1995 aus dem Rennsport zurückgezogen. Der Geschwindigkeit blieb er trotzdem treu: Er wollte sich ganz seiner Fluglinie Lauda Air widmen. Aber der Bruchpilot geriet mit seiner Nobel-Airline in Turbulenzen. Die Rede war von 150 Millionen Mark Schulden. Lauda musste den Chefsessel im eigenen Unternehmen räumen. Für den Ford-Konzern war das allerdings kein Makel: Als Chef der Rennabteilung im Auto-Konzern ist der Branchenkenner immer noch eine erstklassige Besetzung, schließlich geht es dort nicht um das Erzielen von Gewinnen, sondern um's Prestige.

Davon profitiert nun auch Beck's Bier: Fords Jaguar-Boliden fahren nämlich das Logo der Brauerei im Rennzirkus spazieren – wenn auch derzeit noch weit abgeschlagen hinter der Konkurrenz. Ob Niki Lauda damals wusste, dass er damit auch verpflichtet ist, den Bremer Brauern als Werbezugpferd zu dienen? Gestern tat er es pflichtgemäß. Widerwillig trank er ein paar Schlucke Bier am Morgen und beantwortete vorhersehbare Fragen. Was Beck's als Sponsor für ihn bedeutet? „Es ist eben der zweitgrößte Sponsor am Auto.“ Ob Bier und Autofahren zusammenpassen? „Ja, wenn man es zeitlich trennt.“ Nach dem Rennen darf auch der neue Beck's-Werbeträger Eddie Irvine sich eins genehmigen. Auf dessen Dienstgerät muss Lauda dann noch zwischen den Brauerei-Lagerhallen posieren. Aber irgendwie sieht das 20 Jahre danach komisch aus – vielleicht auch, weil der Manager mit ausgelatschten Segelschuhen, offenem Hosenstall und legerem Kuschel-Wolljackett nicht sehr an den wilden Rennfahrer erinnert, der er einmal war. Nur die Ferrari-rote Schirmmütze wird wohl ewig bleiben – auch, weil darunter noch schlimme Brandnarben zu vermuten sind. Ammers Ansinnen, Lauda solle sein Markenzeichen doch mal durch das grüne Beck's-Modell ersetzen, darf getrost als chancenlos gelten. So weit gehen die vertraglichen Pflichten offensichtlich nicht. Nur für's Foto stülpt er den Beck's-Deckel mit einem müden Lächeln kurz über das Parmalat-Logo.

Ach so, jetzt hätten wir fast unterschlagen, wofür der zierliche Mann mit dem listigen Blick sich extra nach Bremen bemüht hat. Und das wäre schade, handelt es sich doch um eine echte „Weltneuheit“. Nein, keine neue Traktionskontrolle für Formel-1-Flitzer. Eine neue Bierkiste! Niki durfte sie als Erster anheben und konnte sich einen Vergleich nicht verkneifen: „Ich bin ja auch eine Mehrwegkiste“, spielte er auf seinen engen Reiseplan an. Das neue, zweifarbige Modell sieht zwar aus, wie Werbegrafiker sich auf ihrer Yacht in der Karibik eine Bierkiste vorstellen, hat aber Gummipolster an den Griffen. Das schont die zarten Biertrinker-Hände beim Tragen. Aber war Bier nicht ein Getränk für harte Kerle? Immerhin, drin ist alles beim Alten geblieben. Jan Kahlcke