Gute Absichten bleiben folgenlos

Vor einem halben Jahr rief der Senat zum runden Tisch gegen Rechtsextremismus. Geändert hat sich wenig

Vor einem halben Jahr war die Betroffenheit groß. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatte rund 50 Vertreter aus Politik, Gewerkschaften, Parteien, Kirchen, Jugendorganisationen und der Polizei zu einem Runden Tisch eingeladen, um nach der öffentlichen Sommerdebatte über Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit zu beraten. Schulsenator Klaus Böger (SPD) betonte nach dem Treffen, dass man sich im „Kampf gegen den Rechtsextremismus über alle parteipolitischen Grenzen“ hinweg einig sei. In Berlin müsse ein „Klima der Einmischung“ herrschen, sagte er kämpferisch. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, dass der „Terror der Nazis“ erneut zur Wachsamkeit verpflichtet. Und SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit verlangte, dass den „wohlformulierten Reden auch Taten folgen müssten.“

Doch von den großen Worten ist nicht viel geblieben. Ein halbes Jahr später sind von einem vom Senat beschlossenen „Zehn-Punkte Programm“ nur Bruchstücke verwirklicht worden, hehre Ankündigungen verliefen im Sande.

So wurden drei angekündigte Stellen in der Landeskommission gegen Gewalt und bei der Ausländerbeauftragten bisher nicht besetzt. Die neuen Mitarbeiter sollten sich speziell um rechtsextremistische Tendenzen kümmern, hieß es damals. Geplant war, dass alle Senatsverwaltungen sich an der Finanzierung beteligen sollten. Eine Begründung für den schleppenden Anlauf gibt es nicht. „Es gibt noch keine Einigung, wer was bezahlt“, sagt der Sprecher der Schulverwaltung, Moritz Felgner, lediglich. Die Landeskommission gegen Gewalt ist im Haus von Senator Böger angesiedelt.

In dem „Zehn-Punkte-Plan“ wurde auch gefordert, dass der öffentliche Dienst eine „Vorbildfunktion“ für ein toleranteres Klima in der Stadt übernehmen sollte – unter anderem sollten Berliner nichtdeutscher Herkunft dort einfacher einen Job bekommen. Doch auch hier passierte nichts, es wurden im Gegenteil produktive Ansätze verhindert: Erst vor kurzem hat die große Koalition einen Antrag der Bündnisgrünen abgelehnt, nach dem Jugendliche nichtdeutscher Herkunft bessere Chancen auf Ausbildungsplätze in der Verwaltung bekommen sollten. Derzeit besetzen sie nur knapp 2 Prozent.

Am intensivsten hat sich die Jugendverwaltung im vergangenen halben Jahr um das Thema gekümmert. Das Abgeordnetenhaus bewilligte 1,5 Millionen Mark für die Bekämpfung des Rechtsextremismus an Schulen und in Jugendprojekten. Dazu wurde ein Projektbüro geschaffen, das ein Teil des Geldes unbürokratisch an kleine Projekte und Initiativen vergibt, die eine „demokratische Gegenkultur“ schaffen wollen. Lehrer werden jetzt erstmalig systematisch im Umgang mit rechtsextremen Schülern geschult.

Steffen Zillich, PDS-Mitglied im Innenausschuss, lobt daher auch die Schulverwaltung: „Die Arbeit, die dort gemacht wird, ist in großen Teilen sinnvoll“, sagt er. Alles andere seien aber nur „Absichterklärungen“ gewesen. Viele Maßnahmen hätte es zudem bereits vor dem Herbst vergangenen Jahres gegeben. Diese seien dann der Öffentlichkeit als „neu geschaffen“ verkauft worden. Zillich bemängelt, dass in der CDU und SPD nach wie vor sehr viel Unkenntnis über das Thema Rechtsextremismus herrsche.

Für die grüne Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz ist das Thema Rechtsextremismus „komplett“ aus der politischen Diskussion verschwunden. Dass 1,5 Millionen Mark bereitgestellt worden seien, sei zwar sinnvoll. Jedoch kompensiere dies in keiner Weise die Kürzungen im Jugend- und Schulbereich in den vergangenen Jahren. JULIA NAUMANN