Acehs Gasfeld feuert Konflikt an

In der indonesischen Provinz Aceh eskaliert der Kampf zwischen Militär und bewaffneten Separatisten. Während sie sich um Schutzgelder des US-Konzerns ExxonMobil streiten, schielen Indonesiens Politiker nur auf die Macht in Jakarta

von JUTTA LIETSCH

Zehn Stunden lang schlugen die Flammen aus einer Gasföderanlage des US-Öl- und Gasmultis ExxonMobil in Aceh. Das Feuer auf dem Firmengelände im Norden der indonesischen Provinz war am vergangenen Samstag noch nicht gelöscht, da lief die Propaganda schon auf Hochtouren. Das Militär behauptete, Rebellen der separatistischen „Bewegung Freies Aceh“ (GAM) hätten Granaten auf Flüssiggasleitungen des Unternehmens geworfen. Millionenwerte seien vernichtet worden. Die GAM erklärte hingegen, Soldaten steckten hinter der Explosion.

Der Brand bei ExxonMobil ist der jüngste Akt der Tragödie von Aceh. Die Lage in der Provinz auf der Insel Sumatra wird immer unerträglicher. Viele der 4,5 Millionen Einwohner kämpfen seit dem Sturz des Diktators Suharto 1998 immer heftiger für die Unabhängigkeit von Jakarta. Doch Gut und Böse verwischen sich. Niemand ist mehr vor Überfällen und Rache sicher.

Schon am 9. März hatte ExxonMobil den Betrieb seines Arun-Gasfelds eingestellt, nachdem Mitarbeiter beschossen worden waren. Arun, das Japan und Südkorea mit Gas versorgt, ist die wichtigste Einkommensquelle der Region und brachte Indonesien monatlich 100 Millionen Dollar ein. Täglich werden in Aceh Zivilisten, Soldaten, Polizisten und Rebellen ermordet. Soldaten wie GAM-Kämpfer errichten Straßensperren, kontrollieren Ausweise und zerren aus Bussen und Autos „Verdächtige“. Sie werden häufig erschossen, vergewaltigt oder verstümmelt.

Die Sicherheitskräfte verfolgen besonders junge Männer. Die Rebellen ermorden angebliche Regierungsspione und betrachten alle Zuwanderer aus Java als Feinde. Viele javanische Beamte, Richter und Lehrer und Zuwanderer von anderen Inseln sind bereits geflohen. Allein im März, so die Bürgerrechtsorganisation „Kontras“, wurden 211 Menschen ermordet oder verschleppt. Zwei MitarbeiterInnen einer lokalen Hilfsorganisation, die Polizisten wegen Vergewaltigung angezeigt hatten, wurden überfallen und samt Fahrer gefoltert und ermordet.

Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Wie im Fall Osttimors verschließen auch bei Aceh Jakartas Politiker und Intellektuelle die Augen vor dem Leid. Angesichts der Machtkämpfe in der Hauptstadt interessiert dort vor allem, wie lange sich Präsident Abdurrahman Wahid noch halten kann. Javas Elite sieht sich als Opfer ausländischer Verschwörer, die hinter den Unruhen in Aceh steckten und Indonesien zerstören wollten.

Zwar hat die Regierung den Zorn der Acehnesen über die ungerechte Verteilung der Gewinne aus den Rohstoffen der Region inzwischen zur Kenntnis genommen und der Bevölkerung einen größeren Anteil an den Erträgen zugesagt. Aber in der Praxis ist nicht viel geschehen. Auch Gespräche zwischen GAM und Regierung brachten bislang keine Ergebnisse. Die brutale Unterdrückung mutmaßlicher GAM-Anhänger durch das Militär treibt die Bewohner Acehs in die Händer der Bewegung. Witwen und Töchter von Armee-Opfern kämpfen inzwischen mit Maschinengewehren auf Seiten der Guerilla, die inzwischen ganze Ortschaften und Landkreise kontrolliert.

GAM-Mitglieder entscheiden dort bei Rechtsstreitigkeiten, besiegeln Landverkäufe und organisieren die Reparatur von Brücken und Straßen. Ihre Aktivitäten bezahlen sie durch Spenden von Exil-Acehnesen und lokalen Kaufleuten. Nicht selten erpressen sie Schutzgelder. Die Zentralregierung verliert an Boden, obwohl die GAM nach Ansicht von Experten kaum mehr als 2.000 bewaffnete Kämpfer hat, denen 30.000 Soldaten und Polizisten gegenüberstehen. Die Armee will das Militärrecht verhängen, weil die kürzlich verkündeten „beschränkten Sicherheitsmaßnamen“ keinen Erfolg brachten. Präsident Wahid wehrt sich gegen diese Forderung: Die Erinnerung an die böse Zeit des zehnjährigen Ausnahmezustands in Aceh während der Suharto-Diktatur ist noch frisch. Damals starben über 4.000 Menschen.

Militär und Separatisten geht es nicht nur um politische Ziele. Die Anlage von ExxonMobil war stets eine wichtige Einkommensquelle für die Soldaten, die sich ihre Wachdienste teuer bezahlen ließen. Laut Fachzeitschrift Jane’s Intelligence Review zahlte ExxonMobil dafür jährlich rund eine Million Mark an die Armee. Als die Rebellen diesen Job übernehmen wollten, weigerte sich das Unternehmen. Darauf griff die GAM die Anlage an.