Handel schützen – nicht Meinungsfreiheit

Investitionsschutz-Abkommen mit Iran: Wirtschaftsminister Müller hofft auf Reformer – doch die sind in der Defensive

BERLIN taz ■ Sie taten so, als sei alles ganz normal. Während in Iran eine Verhaftungswelle gegen Regimekritiker rollt, unterzeichneten Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) und sein iranischer Amtskollege Hossein Namasi am Dienstag in Berlin ein Investitionsschutzabkommen für deutsche Unternehmer in der Islamischen Republik. Es soll Geschäftsleuten den bisher oft unter chaotischen Umständen stattfindenden Handel mit Partnern in Iran erleichtern.

Nach „außerordentlichen Anstrengungen“ seien Geschäfte mit Iran nun „auf eine moderne Basis“ gestellt worden, sagte Müller bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Namasi, dessen viertägiger Deutschland-Besuch gestern endete. Erstmals seit zehn Jahren tagte in Berlin wieder die deutsch-iranische Wirtschaftskommission. 70 deutsche und 20 iranische Wirtschaftsvertreter nahmen daran laut der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur Irna teil. Deutschland werde Iran bei dem Versuch behilflich sein, so Müller, Mitglied der Welthandelsorganisation zu werden. Überhaupt sei die Phase der – durch den vom iranischen Geheimdienst in Berlin verübten Mykonos-Anschlag und den Fall des in Teheran zunächst zum Tode verurteilten, dann aber freigelassenen deutschen Geschäftsmannes Helmut Hofer – belasteten Beziehungen „abgeschlossen“.

Der bilaterale Handel, dessen Volumen 1999 auf dem Tiefststand von 3,1 Milliarden Mark angelangt war, müsse wieder das Niveau von 9 Milliarden aus dem Jahr 1992 erreichen. Er „vertraue der Reformbewegung“ in der Islamischen Republik, begründete Müller die Unterzeichnung des Abkommens, die deutsche Unternehmer in Iran mit Überraschung zur Kenntnis nahmen. In den kommenden Monaten sollen laut Namasi Besteuerungsprobleme für ausländische Investoren in Iran gelöst werden.

Doch ob der zum Reformflügel gehörende Minister das Versprechen einhalten kann, ist fraglich. Denn Irans Reformer stehen mit dem Rücken zur Wand. Ihre konservativen Gegner sind in der Offensive. Am Wochenende bestätigte die Justiz die Verhaftung von 42 Oppositionellen. Sie sollen einen Umsturz geplant haben. Die Inhaftierten sind Mitglieder der „Freiheitsbewegung“ oder gehören zu deren Umfeld. Die bisher tolerierte Organisation steht dem System der Islamischen Republik sehr kritisch gegenüber, beruft sich aber aus taktischen Gründen auf die Verfassung.

Die Verhaftungen und wohl auch Namasis Reise ins westliche Ausland sind Teil des Wahlkampfes in Iran. Am 8. Juni soll ein neuer Präsident gewählt werden. Amtsinhaber Mohammad Chatami hat sich noch nicht eindeutig geäußert, ob er kandidiert. Seine Gegner präsentierten bisher nur den chancenlosen ehemaligen Geheimdienstminister Ali Fallahian. In Teheran wird spekuliert, dass durch die Verhaftungen der intellektuelle, aber politisch wenig begabte Chatami zum Verzicht gedrängt werden solle. Als Kompromisskandidat werde dann der frühere Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani auftreten. Dessen Familie beherrscht die meisten Wirtschaftsunternehmen des Landes. Rafsandschani selbst steht für – auch für ihn – möglichst lukrative freie Handelsbeziehungen zum Ausland, nicht aber für politische Reformen.

THOMAS DREGER