Ein voller Tuschkasten für drei Tage

Farbfood statt Fastfood: Die Galerie designtransfer geht in einer Ausstellung den Wirkungen und Nebenwirkungen nach, die sich aus der unendlichen Farbpalette des Alltags ergeben. Der April ist scheckig, die Liebe fühlt sich sauerkirschrot an

von PETRA WELZEL

Welche Farbe könnte das Salzige haben, wenn man seinen Geschmack mit einem bunten Wort beschreiben wollte? Meertürkis. Christiane ten Hoevel hat das herausgefunden, nachdem sie eine ganze Latte von Geschmacks- und Gefühlsrichtungen bei verschiedenen Testpersonen abgefragt und damit ein üppiges Farbregal angelegt hat. Würde man sein tägliches Gefühlsbarometer in Farben messen, ergäbe das ein recht scheckiges Bild – wie Aprilwetter. In Momenten der Liebe zöge man etwa Sauerkirschrot vor, im Lachen wäre es Kackbraun und bei zu viel Salz in der Suppe eben Meertürkis.

„Farbe gesucht“ ist der Titel der Ausstellung, in der man als erstes an ten Hoevels Regalsortiment aus verschiedenen Farbnuancen in Flaschen hängen bleibt und darüber ins Staunen gerät, was für Zustände die Befragten mit welchen Farben verbinden. Hier haben Menschen Farbe bekannt, im wörtlichen Sinn. Wie die drei jungen Frauen in einer Arbeit von Irene Hardjanagara: „make up“ zeigt in einem Leporello mit einem Spiegel auf Vorder- und Rückseite die Frauen und ihre äußerliche Verwandlung mit Tönungscreme, Lidschatten, Rouge, Lippenstift und Wimperntusche. Im Englischen hat „make up“ zwei Bedeutungen, zum einen Schminke und zum anderen Charakter. Der Verweis auf Letzteres lässt einen in vier Gesichter blicken, die drei der Frauen und in das eigene. Allerdings liefert einem das Spiegelbild kein Vorher und Nachher. Machen Sie das Beste aus ihrem Typ, rauscht es kurz durch den Kopf – eine doch recht eintönige Dimension des Charakters.

Seit 1999 bereits untersucht und bündelt designtransfer als Galerie und Arbeitsstelle der Hochschule der Künste zu Forschung, Entwicklung und Praxis von Gestaltung Projekte zum Thema Farbe im Design, ihrer Anwendung und Wahrnehmung. Wo Modeschöpfer ihre Frühjahrskollektionen auf den Markt bringen, will designtransfer zeitgleich den Laufsteg im weltweiten Netz nutzen, um die schon bestehende Datenbank „Info.Pool: Farbe“ mit anderen Farbfeldforschungen zu vernetzen. Allein die Computeranimation „Die Rothaarige“ von Pia Schneider zum Mythos und zur Geschichte der rothaarigen Frau, an der man sich auch jetzt schon stundenlang in der Ausstellung aufhalten mag, greift tief in die Kiste von Wirkungen und Nebenwirkungen homöopathischer und allopathischer Dosierungen von Farbe. Und dies am Beispiel nur einer Haarfarbe.

Andrea Nienhaus hingegen hat einen ganzen Doppeldecker-Tuschkasten verwendet, um ihre Tagesabläufe in so genannten Zeitfarben zu dokumentieren. Die vorläufig in einem Dreitagebuch festgehaltenen Streifen, die bezeugen, dass die Probandin im Wesentlichen viel geschlafen, wenig gearbeitet, gegessen, eingekauft und ferngesehen hat, könnten einen interessanten wie irritierenden Wandfries ergeben. Der sähe dann ähnlich aus wie eines der Monatsfarbenstreifen-Bilder von Käthe Kruse, die aus zwei astrologischen Farbtheorien anhand von Geburtstagen und anderen Eckdaten zu einer neuen Farbsystematik gefunden hat. Ganze Büroetagen stattet sie bereits mit ihren wandfüllenden Farbumsetzungen als Kunst am Bau aus.

Am Ende verlässt man die Galerieräume mit dem Gefühl, als ob einem Farben auf der Zunge lägen. Allerdings so schnell konsumiert wie Fastfood sind sie nicht, auch wenn das die Webanimation „Farbfood“ nahe legt. Und während man noch dran kaut, sieht man plötzlich Farben, die man sonst wohl kaum wahrgenommen hätte.

Bis 27. 4., Di–Fr 13–18 Uhr, designtransfer, Grolmanstr. 16