Grüner Boykottruf

Die erste Weltkonferenz grüner Parteien sagt der US-Regierung und den US-Ölkonzernen den Kampf an

CANBERRA taz ■ Mit einem einstimmig verabschiedeten Aufruf zum Boykott von US-amerikanischen Ölkonzernen ist gestern in der australischen Hauptstadt Canberra die erste „Global Greens Conference“ zu Ende gegangen. Damit reagierten die 800 Delegierten von grünen Parteien aus 70 Ländern auf den Beschluss der US-Regierung, aus dem Kioto-Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgase auszusteigen. Denn für Washingtons Schritt machen die Grünen die US-Ölkonzerne verantwortlich.

Für den Gastgeber der Konferenz, den australischen Senator Bob Brown, war es besonders peinlich, dass Australiens konservative Regierung sich der Ankündigung der USA angeschlossen hatte. „Die Regierung von John Howard hatte die Wahl zwischen ihren Enkeln und der US-Regierung von George Bush. Sie hat sich für die Bush-Regierung entschieden“, sagte Brown.

Basierend auf grünen Prinzipien wie Umweltschutz, Gewaltfreiheit, Menschenrechten, sozialer Gerechtigkeit und Demokratie bestand das Hauptziel der Konferenz darin, ein so genanntes „Global Greens“-Netzwerk unter einer gemeinsamen grünen Charta zu bilden. Zum ersten Mal definierten sich Grüne damit unter einer gemeinsamen globalen Wertebasis. „Wir haben immer gesagt: Global denken – lokal handeln. Jetzt sagen wir: Global denken – global handeln“, so die französische Grüne Catherine Greze.

Zahlreiche Delegierte aus Entwicklungsländern betonten jedoch, dass sie keinesfalls bereit seien, sich einseitig westlichen Wertmaßstäben unterzuordnen. Sie verlangten die Berücksichtigung der jeweiligen kulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Unterschiede. Zudem forderten sie eine aktive Bekämpfung von Armut und politischer Korruption und die Streichung der Schulden der Dritten Welt.

Während grüne Vertreter aus afrikanischen Ländern für ein Ende der Globalisierung plädierten und am liebsten die Welthandelsorganisation und den Weltwährungsfonds abschaffen würden, betonten europäische Grüne wie Pekka Haavista aus Finnland, dass sich das Rad der Zeit nicht mehr zurückdrehen ließe. Haavista empfahl eine gesteuerte, kontrollierte Globalisierung.

Neben den Grünen aus Regierungskoalitionen in Europa waren auch kleine Parteien oder Umweltbewegungen etwa aus Tibet, Osttimor, den südpazifischen Inseln sowie Ureinwohner aus den USA und Neuseeland angereist. Die deutsche Delegation wurde von Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütigkofer geleitet.

Die meist jungen Teilnehmer aus Australien und Neuseeland hoben sich schon rein äußerlich mit ihrer bunter Kleidung oder ihren oft langen, gefärbten Haaren von den in die Jahre gekommenen europäischen Grünen in meist grauen Anzügen ab.

Gastgeber Brown kritisierte, dass es keiner der europäischen grünen Minister gekommen war. Gerade sie hätten in Canberra gegenüber Grünen aus undemokratischen Ländern, die oft unter lebensbedrohlichen Umständen aktiv sind, ein Signal der Hoffnung setzten können.

Manche Delegierte aus Afrika und Südamerika konnten nur unter großen Schwierigkeiten überhaupt an der Konferenz teilnehmen. Aber Geldmangel und Repressalien können Grüne in Entwicklungsländern offensichtlich nicht mehr aufhalten, sich für ihre Politik stark zu machen. Politiker wie Jorge Gonzales Torres aus Mexiko, die mit ständigen Morddrohungen lebende Kolumbianerin Ingrid Betancourt sowie der erst kürzlich aus dem Gefängnis freigelassene Kenianer Wangari Maathai bringen frischen Wind in die grüne Bewegung. CORINA JÜRGENSEN

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