„Artverwandt“, und doch resistent

■ Auch Niederländer schufteten in Oldenburg als Zwangsarbeiter

Der Niederländer Cornelius Daniel H. wollte Kolonialwaldbauingenieur werden und hatte bereits vier Semester studiert, als er am 11. Mai 1944 in seiner Heimat von den deutschen Besatzern verhaftet wird. Sein Vergehen: H. hatte Reichsmarkscheine in Gulden umgetauscht. Es folgen der Transport nach Deutschland, der Einsatz als Schlosser, ein Fluchtversuch, Arbeitserziehungslager in Oldenburg. H. wird Schweißer, später muss er als Gärmeister arbeiten.

Warum der 22-Jährige ein Jahr später vor dem Oldenburger Amtsgericht steht, verrät Katharina Hoffmann in ihrem neu erschienenen Buch „Zwangsarbeit und ihre gesellschaftliche Akzeptanz in Oldenburg 1939-1945“ nicht. Fest steht jedoch, dass der junge Mann zu einer wenig beachteten Gruppe von Zwangsarbeitern gehörte, die in der Stadt an der Hunte überdurchschnittlich stark vertreten war: 12 Prozent der etwa 5.000 ausländischen „Zivilarbeiter“ im Arbeitsamtsbezirk Oldenburg kamen 1943/1944 aus dem besetzten Nachbarland (Weser-Ems insgesamt: 19.391 Männer und 1.563 Frauen). Nach sowjetischen und polnischen Zwangsarbeitern bildeten die Holländer die drittstärkste nationale Gruppe – mit dem Unterschied, dass sie als so genannte artverwandte, „germanische“ Arbeitskräfte eine vergleichsweise privilegierte Stellung besaßen. Ihre Lebenssituation habe erst nach und nach Zwangscharakter bekommen, so die Autorin in ihrer von der Stadt Oldenburg herausgegebenen Dissertation.

So hätten die Niederländer die gleichen Löhne, Überstundenzuschläge und Steuersätze gehabt wie die deutsche Arbeiterschaft; außerdem seien ihnen Urlaub und Familienheimfahrten zugesichert worden. Sie mussten keine stigmatisierenden Kennzeichen an ihrer Kleidung tragen, lebten teilweise in Privatwohnungen und hatten sich nur relativ selten als „feindliche Ausländer“ bei der Polizei zu melden.

Man kann jedoch nicht behaupten, dass die holländischen Arbeiter aus freien Stücken ins „Reich“ gekommen wären – wie einige niederländische Volksschullehrer in Oldenburg, die aktiv mit den Deutschen kollaborierten. Schon vor der Besetzung ihres Landes 1940 hätten die niederländischen Behörden Arbeitslose nach Deutschland „exportiert“, heißt es in der Studie. Land- und Bauarbeiter hätten gehorcht, weil ihnen sonst die Unterstützung gestrichen worden wäre. Diese „Freiwilligkeit“ wich während des Krieges brutalen Razzien, bei denen Wehrmacht und Polizei ganze Stadtviertel abriegelten, um Zwangsarbeiter zu rekrutieren.

Auch bemühten sich die deutschen Behörden, westeuropäische Arbeitskräfte zunehmend in Sammellagern unterzubringen – um antideutsche Aktivitäten von Beginn an zu unterdrücken. Ein Grund: Die Niederländer zeigten sich im weitaus geringeren Maße bereit, sich mit den Verhältnissen im NS-Deutschland zu arrangieren, als erwartet. Regional und im ganzen Reich monierten Arbeitgeber „schlechte Arbeitshaltung“ und „deutschfeindliche Gesinnung“. In Oldenburg werden Niederländer wegen entsprechender Äußerungen verhaftet und inhaftiert. Andere wecken den Sozialneid der deutschen Herrenmenschen – etwa, wenn der Eindruck entstand, dass niederländische Arbeiter häufiger ihre Familien besuchten, als deutsche.

Zu den Ressentiments der deutschen Bevölkerung kam – so die Autorin – eine gehörige Irritation: Dass nämlich das von NS-Ideologen propagierte Bild einer konfliktfreien Kooperation mit Angehörigen „germanischer Abstammung“ nicht der Wirklichkeit entsprach.

hase

K. Hoffmann, Zwangsarbeit und ihre gesellschaftliche Akzeptenz in Oldenburg 1939-1945, 370 Seiten, Isensee Verlag, 35 Mark