Eine Torte für Henkel

Tumulte bei Immatrikulationsfeier der FU. Der ehemalige BDI-Chef Hans-Olaf Henkel muss seine Rede abbrechen

„Eigentlich wollte ich Eier werfen, aber das ist es nicht wert!“

„Freiheit oder Gleichheit?“, das war gestern die Frage im Audimax der Freien Universität (FU) in Dahlem. Gestellt hatte sie Hans-Olaf Henkel, der als Gastredner zur zentralen Immatrikulationsfeier der Universität geladen war.

Der Exvorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) wagte sich damit in die Höhle des Löwen, denn linke Studentengruppen hatten schon Tage vorher den FU-Campus mit „Henkel stören!“-Plakaten zugeklebt. „Ein kalkulierbares Risiko“, befand Henkel, der Vorstandssitze sammelt wie andere Briefmarken. Waren doch seine Vorgänger als Gastredner wie Robert Gernhardt oder Loriot in den Vorjahren durchweg wohlwollend empfangen worden. Für Henkel sollte es anders kommen.

Die feierliche Immatrikulation ist der offizielle Startschuss für das Semester an der FU. Stellvertretend für die etwa 5.000 Studienanfänger wird dabei zwölf Neulingen aus allen Fachbereichen eine Urkunde überreicht. Ein Anlass also, bei dem frisch gebackene Studentinnen und Studenten ihren stolzen Eltern gerne ihre neue Umgebung vorführen.

Zu Beginn der Veranstaltung schien auch alles glatt zu laufen: FU-Präsident Peter Gaethgens hielt eine mäßig unterhaltsame Rede und betonte die liberale Tradition der Freien Universität. Spätestens aber, als unplanmäßig ein Asta-Sprecher das Rederecht erhielt, wurde klar, dass die Feier keine dröge Veranstaltung bleiben würde. Marek Schauer kritisierte für den Studentenausschuss die Einladung des Ex-BDI-Chefs und brachte den Neulingen gleich die Asta-Positionen zur Lage der Universität nahe: „Freiheit“ wolle man auch weiter bei der Wahl des Studiums, und „Gleichheit“ könne es nur ohne Studiengebühren geben.

Als dann der Gastredner das Podium betrat, war es mit der feierlichen Stimmung endgültig vorbei. Von Trillerpfeifen begleitet, entrollten Gruppen von Protestierern Transparente mit Botschaften gegen Studiengebühren und Bildungsabbau. Einer trug ein Plakat mit der Aufschrift „Eigentlich wollte ich ja Eier werfen, aber dieses Geseier ist es nicht wert.“ Inmitten des Tumults war es Henkel dann auch kaum möglich, den Vortrag zu seinen Vorstellungen von einer freien Gesellschaft abzuhalten. Nur Bruchstücke seiner Argumentation kamen bei den Zuhörern an.

So zitierte der Top-Manager Thomas Mann, Freiheit und Gleichheit seien konkurrierende Werte, eine Gesellschaft könne nicht beide gleich erfüllen. Wörtlich sagte er: „Gleichheit darf nicht so weit gehen, dass alle gleich arm sind.“ Auf seine Frage: „Kennen Sie ein Land, in dem der Unterschied zwischen Arm und Reich so gering ist wie in Deutschland?“, antwortete ein Zwischenrufer: „Kuba!“ Das meiste ging jedoch im Pfeifkonzert unter.

„Gleichheit darf nicht so weit gehen, dass alle gleich arm sind.“

Auch der Appell von FU-Präsident Gaehtgens, Freiheit bedeute auch, „anderen zuzuhören“, verhallte ohne Wirkung. Henkel brach seine Rede ab. Somit erreichten die Störer am Ende das angestrebte Ziel, den Ehrengast loszuwerden. Zum Abschied gab es für den Gastredner dann noch ein kleines Präsent. Beim Verlassen des Saals bekam der ehemalige Chef des BDI von einem Studenten eine Sahnetorte serviert – mitten ins Gesicht.

DANIEL FERSCH