An die Armenier aber will keiner recht denken

Der Bundestag soll den Völkermord an den Armeniern verurteilen, fordert die PDS. Doch selbst SPD und Grüne wollen den Antrag nicht mittragen

BERLIN taz ■ Der einzige deutsche Abgeordnete, der den Völkermord an den Armenier in den Jahren 1915 bis 1920 jemals angesprochen hat, war Karl Liebknecht. Deshalb, findet der PDS-Bundestagsabgeordnete Uwe Hiksch, sei es nun an der Zeit, dass sich das Parlament des Themas annehme und den Genozid durch das Osmanische Reich offiziell verurteile.

Gestern stellte der europapolitische Sprecher der PDS-Fraktion den Entwurf für einen interfraktionellen Antrag vor. Damit „emotionsfrei diskutiert werde“, so Hiksch, sollten ihn alle Fraktionen einbringen. „Einige Abgeordnete“ von SPD und Grünen seien durchaus offen.

Doch auf breite Unterstützung kann Hiksch nicht hoffen. Die außenpolitischen Sprecher der Fraktionen lehnen seinen Vorstoß ebenso ab wie der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir. Von dem Vorhaben, mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Türkei zu zeigen, solle sich der Bundestag distanzieren, so Özdemir in der FAZ.

Die Reaktion der Türkei auf eine Resolution der französischen Nationalversammlung ist nur allzugut in Erinnerung. Diese hatte 1998 – wie bereits das italienische, griechische und russische Parlament – einen Gesetzentwurf verabschiedet, der den Völkermord offiziell verurteilt. Die Türkei kündigte daraufhin einen 150-Millionen-Dollar-Vertrag für einen Aufklärungssatelliten mit der Firma Alcatel. Der türkische Staat als Nachfolger des Osmanischen Reiches weigert sich, die Ermordung von mehr als einer Million Armenier anzuerkennen. Offiziell wurden nur Aufständische „deportiert“.

Doch es ist nicht nur die Sorge um das deutsch-türkische Verhältnis, die viele Abgeordnete zurückschrecken lässt. „Die Retourkutsche mit dem Hinweis auf die eigene dunkle Vergangenheit käme so sicher wie die hysterischen Reaktionen gegenüber Frankreich“, so der Grüne Özdemir, zugleich Vorsitzender der deutschtürkischen Parlamentariergruppe.

Dass eine Verurteilung des Massenmordes gerade durch Deutschland heikel ist, weiß auch Hiksch und hat daher einen Passus über die deutsche Mitverantwortung in den Antrag eingefügt. Der Bundestag entschuldige sich öffentlich für die Unterstützung des Genozides, heißt es dort. Nicht nur die Türkei müsse sich mit ihrer Geschichte auseinandersetzen, sondern auch Deutschland. Da reiche es schon, wenn überhaupt eine Debatte in Gang komme. „Das ist wichtiger als ein kurzfristiger Abstimmungserfolg.“ NICOLE MASCHLER