Konstruktiv einmischen

In Amerika findet auch die schwul-lesbische Community Möglichkeiten eines speziellen Investments. Homofreundliche Geschäftspolitik gilt zum Teil als Indikator für die Qualität des Managements

In den USA wird nach dem letzten Bericht des Verbandes „Social Investment Forum“ heute jeder achte Dollar nach ethischen Kriterien investiert; zwei Billonen sind es insgesamt. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik fließen lediglich 0,15 Pfennig je neu angelegter Mark in „grüne“ Geldanlagen, insgesamt bis jetzt etwa vier Milliarden Mark.

Auch die lesbisch-schwule Community ist in Amerika wesentlich weiter in Bezug auf Vertretung ihrer Interessen in der Investmentbranche als in Europa. „Was mit einem Traum begann, ist Wirklichkeit geworden“, so Kay Griffith, Vorstandsvorsitzende der G&L-Bank. Diese Online-Bank, die die gesamte Palette privater Finanzdienstleistungen von der Hypothek bis zum Investmentfonds anbietet, ging im letzten Jahr an den Start. Das Angebot sei gut angenommen worden und nach nur einem Jahr schon „integraler Bestandteil der GLBT-Community“. Auch in Bezug auf Koalitionen ist man pragmatischer, die Abkürzung steht für: gaylesbianbisexual und transgender. Seit 1998 gibt es ein schwul-lesbisches Finanzportal online, das Gay Financial Network (www.gfn.de), das ebenfalls alle Dienstleistungen im Zusammenhang mit privater Finanzplanung offeriert und sich guter Akzeptanz erfreut. Ob ein Unternehmen eine homofreundliche Politik betreibe, sei ein Indikator für die Qualität und Zukunftsfähigkeit seines Managements. Es zeige, ob die Manager und Managerinnen „verstanden haben, wie die Arbeitswelt und wie die Kunden und Kundinnen des 21. Jahrhundert aussehen werden“. Das zumindest denkt Shelly Meyer, Managerin des 1996 aufgelegten Meyer Pride Value Fund. Der Fonds mit gegenwärtig einem Volumen von zwölf Millionen Dollar schreibt in seinen Richtlinien fest, nur in Unternehmen mit „open workplace policies“ zu investieren, also in Unternehmen, die keine Diskriminierung auf Grund von sozialer oder ethnischer Herkunft, religiöser Zugehörigkeit oder Geschlecht und – ausdrücklich – auch auf Grund der sexuellen Orientierung erlauben.

Es spricht einiges für Meyers Investmentlogik: Der Fonds erwirtschaftete im Durchschnitt der letzten drei Jahre eine jährliche Rendite vom 11,31 Prozent. Erst im März wurde Meyers von der Ratingagentur Morningstar mit der höchsten Wertung belohnt, den begehrten fünf Sternen.

Auch der andere große Anbieter für homofreundliche Geldanlagen, die Investmentgesellschaft Friends Ivory & Simes, favorisiert Unternehmen, die gleiche Rechte und Chancen für alle am Arbeitsplatz garantieren, unabhängig von Geschlecht, ethnischer Herkuft oder sexueller Orientierung. Geprüft wird beispielsweise, ob Weiterbildungsmaßnahmen die unterschiedliche sexuelle Orientierung berücksichtigen oder schwule und lesbische Organisationen gefördert werden. Als ein Vertreter des klassischen ethischen Investments spielen darüber hinaus unter anderem auch gute Umweltbilanzen, die Arbeitsbedingungen an Produktionsstandorten der Dritten Welt oder die Frage, ob Menschenrechte oder Produkthaftungsstandards eingehalten werden, eine Rolle bei den Investitionsentscheidungen des Fonds. Denn solche „schlechten Geschäftspraktiken“, wie George Walker, Präsident der Gesellschaft sie nennt, gefährden den Profit des Unternehmens und auch seinen Aktienkurs an der Börse.

Friends Ivory ist ein 170 Jahre altes englisches Investmenthaus und weltweit einer der Marktführer in Sachen sozialverantwortlichen Investments. Die Gesellschaft hat 1998 zwei Fonds, einen weltweit und einen in europäische Unternehmen investierenden, für den amerikanischen Markt aufgelegt. Die beiden Fonds haben zusammen ein Volumen von etwa 60 Millionen Dollar und werden mit einem speziellen Marketing in der Zielgruppe der homosexuellen Anleger und Anlegerinnen vermarktet.

Während die beiden Fonds von Friends Ivory im vergangenen Jahr 14 Prozent beziehungsweise 10,8 Prozent verloren, schaffte es Meyers Pride Fund mit 0,18 Prozent im Plus und damit weit über der Benchmark von minus 9,1 Prozent (S&P 500, weltweiter Aktienindex) zu bleiben. Aber das ist wohl weniger den ethischen Kriterien geschuldet, als vielmehr der Tatsache, dass Meyers eine klar wertorientierte Investmentstrategie präferiert: An der Börse werden unterbewertete „billige“ Unternehmen gekauft und bei „fairer“ Bewertung wieder verkauft. Friends Ivory ist demgegenüber ein Investor, der unabhängig vom Preis in solche Unternehmen investiert, die hohe Wachtumsraten erwarten lassen. Jene Unternehmen, in die die Fonds investieren, sind keine schwul-lesbischen Nischenfirmen, sondern die großen bekannten Blue Chips: Microsoft, General Motors, Nortel Networks, Cisco, Johnson & Johnson oder im Europa-Fonds Nokia und auch beispielsweise die Allianz. Allein schon aus Risikogründen investiert bespielsweise Meyers Fund mehr als 60 Prozent seines Volumens in Unternehmen mit mehr als zwei Milliarden Dollar Börsenwert.

Wie wichtig amerikanischen Unternehmen die Akzeptanz der Regenbogengemeinde ist, demonstrierte jüngst der Computerkonzern IBM und avancierte damit zum beliebtesten Unternehmen der Community. Nachdem der amerikanische Kongress sich dagegen ausgesprochen hatte, Schutzbestimmungen gegen Benachteiligung am Arbeitsplatz auch für lesbische Frauen und schwule Männer Geltung zu verschaffen, beschloss IBM publicitywirksam, dass alle Vorteile, die den Partnern von Unternehmensangehörigen zugute kommen, auch den gleichgeschlechtlichen zustehen.

Die Managements beider Fonds betreiben eine „Politik der konstruktiven Einmischung“: „talking not walking“, wie es im Prospekt von Friends Ivory heißt. „Wir sind am effektivsten, wenn Unternehmen wissen, dass wir sehr wohl Auseinandersetzungen mit ihnen führen, ohne diese allerdings publik zu machen“, sagt Shelly Meyer. Hat diese Strategie keinen Erfolg, werden Werte auch aus dem Portfolio herausgenommen; so geschehen nach der Fusion von Mobil Oil mit Exxon, nachdem Exxon sich weigerte, seine Unternehmensstatuten umzugestalten.

Es sei ein Missverständnis, dass der Wunsch, in seinen Investments auch die eigenen Werte gewahrt zu sehen, mit Renditeeinbußen erkauft werden muss. In homofreundliche Unternehmen zu investieren, sei nicht nur eine sozialpolitisch progressive Sache, so Shelley Meyer, sondern vor allem „eine gute Investment-Entscheidung“. Beide Managements sehen sich als professionelle Vermögensverwalter aber auch mit einer wesentlichen Aufgabe konfrontiert: eine solide, langfristig sehr gute Performance zu erwirtschaften. BIRGIT BOSOLD

Die Autorin ist Finanzplanerin beim Berliner Finanzkontor, Kontakt: dasfinanzkontor@t-online.de