Abschied von lieben Feinden

Jürgen Möllemann und Guido Westerwelle waren selten gut zu ihm. FDP-Chef Wolfgang Gerhardt geht. Aber er kommt als Fraktionschef wieder zurück

BERLIN taz ■ War da was? Hat Guido Westerwelle nicht vor einigen Monaten Wolfgang Gerhardt dazu bewegen können, auf eine erneute Kandidatur für den Parteivorsitz zu verzichten?

Da war nichts, da soll auch keine Verstimmung mehr bleiben. Nicht auf der letzten Pressekonferenz als Parteichef im Thomas-Dehler-Haus in Berlin. Er gehe davon aus, sagt Gerhardt, dass „eine große Mehrheit“ Westerwelle Anfang Mai zu seinem Nachfolger wählen werde.

Wovon Gerhardt an diesem Montag noch ausgeht, sagt er so unmissverständlich, wie es sonst seine Art gar nicht ist. „Ich bin für die Unterstützung des Bundesvorsitzenden Westerwelle als Spitzenkandidat der Bundestagswahl. Ich gebrauche bewusst diese Formulierung.“ Das sagt er so deutlich, damit auch dem letzten klar wird, dass er Möllemanns Idee einer eigenen Kanzlerkandidatur für absurd hält. Gerhardt ist auffallend locker. Er macht Scherze, die Journalisten lachen ein ums andere Mal. Nur wenn es gegen Möllemann geht, dann blitzt ein wenig von der Wut auf, die irgendwo tief in Gerhardt schlummern muss.

Es habe schon mehrere Parteichefs als „Spitzenkandidaten“ gegeben, wiegelt er den Vorschlag eines Kanzlerkandidaten ab. Und er zählt sie auf: Otto Graf Lambsdorff, Hans-Dietrich Genscher und „auch ich“ – Wolfgang Gerhardt eben. Nein, sagt der Parteichef, der bald nur noch Fraktionschef sein wird und auf ein Büro mit Blick auf die Reichstagskuppel hofft, er sei sich sicher, dass auch jene Parteitagsdelegierten, die Sympathien für einen eigenständigen Kanzlerkandidaten hegten, sich auch mit Westerwelle identifizierten, sollte dieser „unser Spitzenmann sein“.

Draußen, im überdachten Innenhof, hatte Jürgen W. Möllemann kurz zuvor seine eigene improvisierte Pressekonferenz gegeben. Kein Wort ließ er sich darüber entlocken, ob er selbst als Kanzlerkandidat antreten wird. Möllemann, der Chef der nordrhein-westfälischen Liberalen, ist vorsichtig geworden. Soll er Westerwelle herausfordern und, wie es aussieht, eine demütigende Niederlage einfahren?

Westerwelle hat ihn schließlich aufgefordert, für einen der drei Stellvertreterposten zu kandidieren. Auch Gerhardt ist dafür. „Bei allen Reibungen, die ich mit ihm habe“, sagt er. Das klingt ziemlich großzügig – so ist es wohl auch gemeint. Im Übrigen glaube er, dass die Frage, ob es nun zu einer Kanzlerkandidatur kommen wird, in Düsseldorf entschieden wird. Und zwar „komplett“, betont Gerhardt.

Im Spitzengremium der FDP hat man an diesem Montag über anderes als die Frage der Kanzlerkandidatur geredet. Etwa über den Solidaritätszuschlag, gegen dessen Abschaffung die neue Generalsekretärin Cornelia Pieper ist. Die Ostdeutsche erfährt für ihren kecken Satz, der einige in der Partei aufgebracht hat, den Schutz des scheidenden Vorsitzenden. Seit zwei Jahren sei Beschlusslage der FDP, dass der Solidaritätszuschlag „auf null“ gekürzt werde, wenn das Steuersystem insgesamt reformiert werde, erklärt Gerhardt.

Sinke der Spitzensteuersatz etwa nach dem FDP-Modell auf 35 Prozent, dann könne auch der Solidaritätszuschlag entfallen. Sinke er an der Seite eines möglichen Koalitionspartners aber nur auf 38 Prozent, dann werde der Solidaritätszuschlag entsprechend reduziert, aber falle eben nicht auf null. Und überhaupt: Eine „isolierte Abschaffung“ des Solidaritätszuschlags stehe nicht im Vordergrund.

Dass Cornelia Pieper bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt im kommendenFrühjahr 10 Prozent anpeilt, nimmt Gerhardt mit der Gelassenheit desjenigen hin, der schon viele Äußerungen hat kommentieren müssen. „Warum soll ich Menschen davon abhalten, sich hohe Ziele zu setzen?“

SEVERIN WEILAND