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Familie oder SingleBitte ehrliche Vergleiche

betr.: „Geld her oder zeugen“, taz vom 19. 4. 01

Köpf hat recht. Es hat sich merkwürdigerweise die Auffassung durchgesetzt, dass Kinder „notwendig“ wären für unsere Zukunft. Mitnichten.

Meine private Rentenversicherung legt meine Beiträge am internationalen Kapitalmarkt an. Deutschland könnte zum Biotop werden – auf meine Rente hätte das keinen Einfluss. Anders sieht es zugegebenermaßen bei denen aus, die von der staatlichen Rentenversicherung abhängig sind, da der Staat ihre Beiträge ausgibt, statt Gewinn bringend anzulegen. Ihre Rente muss also von der nächsten Beschäftigtengeneration neu erarbeitet werden. Ein Rückgang der Bevölkerungszahl würde allerdings nur zu einem Abschmelzen des Arbeitslosensockels führen – anders gesagt: mehr Kinder vergrößern bis auf weiteres nur die Kosten der Arbeislosigkeit, statt Geld für die Rente der Eltern zu verdienen. Was nun, wenn in ferner Zukunft einmal der Bevölkerungsrückgang den Zuwachs der produktivitätsbedingten Arbeitslosigkeit übersteigt, also Arbeitskräftemangel entsteht? Dann sollten in der Tat die Türen für die Einwanderer, die an unseren Grenzen Schlange stehen, weiter geöffnet werden. Wie man es auch dreht und wendet: Eine „Notwendigkeit“, dass deutsche Eltern mehr Kinder in die Welt setzen, sehe ich nicht. PAUL TIEFENBACH, Bremen

[...] Peter Köpf rechnet an einem Beispiel vor, bereits heute betrage das Familiengehalt 1.792 Mark. Da stellt sich doch die Frage, warum noch keine kluge Finanzpolitikerin hier den Rotstift gezückt hat. Dies liegt schlicht und ergreifend daran, dass neben dem Kindergeld eine Steuerersparnis von 45 Mark übrig bleibt, wenn man die Berechnungen überprüft.

[...] Ein Single zahlt mehr Kirchensteuer als eine Familie – die Differenz wird flugs den staatlichen Transferleistungen zu Gunsten der Familie zugeschlagen. Es handelt sich hier aber eher um eine Sozialleistung der Kirche – abgesehen davon, dass dieser Familienvorteil bei Nichtmitgliedern auch nicht zu Buche schlägt. [...] Bei der Steuerdifferenz zwischen Familie und Single sind zwei volle Kinderfreibeträge eingerechnet. Die Kinderfreibeträge werden jedoch, anders als Herr Köpf das vorführt, mit dem Kindergeld verrechnet: Auch für die Bezieher überdurchschnittlicher Einkommen bleibt es beim Kindergeld von 270 Mark. Die Steuerfreibeträge werden nur für Spitzenverdiener wirksam, wenn die Steuerersparnis 270 Mark überschreitet. Übrig bleibt als Steuerersparnis allein die Differenz von 45 Mark beim Solidaritätszuschlag. [...] SUSANNE LEIN, BERLIN

Peter Köpfs „Familiengehalt“ hört sich gut an – aber bitte ehrliche Vergleiche! Auch Väter zahlen nicht nur Lohnsteuer, sondern auch Solidarbeitrag und Kirchensteuer. Und wie schnell reduziert sich das „Familiengehalt“, wenn die zwei Jahre vorbei sind. Wenn dann gar die Kinder flügge werden, sind auch Eltern voll steuerpflichtig. Aber wehe, ein Kind wird sozialhilfebedürftig, schon streckt das Sozialamt die Hand aus.

Für das genannte Einkommen zahlt die Musterfamilie für den Bedarf von vier Personen Mehrwert- und Ökosteuer. Und wenn kinderlose Singles stärker belastet werden, so trägt auch hier die Familie bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer (unter Kohl/Waigl) und der Ökosteuer vierfach daran mit. [...]

Als ich im „Babyjahr“ arbeitete, bezahlte ich aus versteuertem Einkommen eine Haushaltshilfe (also zweimal Sozialbeiträge) und bekam eine Steuerermäßigung von 100 Mark. Trotz meiner überdurchschnittlichen Rentenbeiträge bekam ich bei der Rente nur das Babyjahr mit 0,7 Prozentpunkten angerechnet. Das passiert keinem Kinderlosen.

Was die gesetzliche Krankenkasse betrifft, so danke ich jedem noch verbliebenen, jungen, gutverdienenden und solidarischen Single. Wie Rechnungen ergeben haben, betragen die Gesundheitskosten eines kranken Ruheständlers das Siebenfache der Kosten eines Familienversicherten und wird von den Kindern bezahlt. Was gar die Pflegekasse betrifft, so erstattet sie in der höchsten Pflegestufe für Heimpflege 2.800 Mark, der pflegenden Tochter (oder dem Sohn) gibt sie 800 Mark. Kinder geben später der Gesellschaft ein Vielfaches ihrer Kosten zurück.

Dass im August vermehrt Familien Urlaub machen, liegt eher daran, dass, wer nicht an Ferien gebunden ist, in der billigeren und weniger überlaufenen Vor-/Nachsaison fährt. Auch mit dem Schichtdienst kann es nicht so weit her sein, denn an Weihnachten und Silvester sind zumeist Singles in südlicher Sonne. [...]

IRMGARD SCHITTENHELM, Schopfheim

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