Große Verunsicherung nach Tod in Kita

Nachdem sich ein zweieinhalbjähriger Junge in einer Kita in Reinickendorf mit einer Anorakkordel beim Rutschen stranguliert hat, werden die Kinder ab heute für die nächsten Tage in einer anderen Einrichtung betreut

In der Kindertagesstätte in Reinickendorf, in der am Freitag ein zweieinhalbjähriger Junge auf tragische Weise ums Leben kam, wird heute kein normaler Betrieb sein. Doch die Leiterin, die Erzieherinnen und der Jugendstadtrat des Bezirks werden ab 6 Uhr anwesend sein, um Fragen besorgter oder verunsicherter Eltern zu beantworten. Betreut werden die etwa einhundert Kinder vorerst in einer Nachbarkita. Jugendstadtrat Peter Senftleben (SPD) hofft, dass sich der Kitabetrieb ab Mittwoch wieder „normalisiert“. Doch: „Ich muss mit Absagen rechnen.“

Am Freitagvormittag war ein zweieinhalbjähriger Junge auf dem Spielplatz vor den Augen seiner Spielkameraden tödlich verunglückt. Die Erzieherinnen bemerkten den tragischen Unfall erst, als es bereits zu spät war. Gegen 11.40 Uhr – etwa 40 Jungen und Mädchen spielten auf dem Freigelände, und fünf Erzieherinnen waren zur Aufsicht eingeteilt – wollte der Junge die Rutsche runter. Offenbar verfing sich die Kordel seines Anoraks am Geländer. Als der Junge hinabglitt, zog sich die Schlinge der Kapuze zu, so dass er keine Luft mehr bekam und erstickte.

Nach Angaben von Jugendstadtrat Senftleben hat die Seitenbegrenzung der Rutsche offensichtlich den Erzieherinnen die Sicht versperrt. Erst als andere Kinder schrien, wurde das Aufsichtspersonal aufmerksam. Eine Erzieherin, die vergeblich versuchte, das Kind mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben, kam mit einem Schock ins Krankenhaus. Feuerwehr und Notarzt versuchten ebenfalls erfolglos, das Leben des Jungen zu retten.

Nach Polizeiangaben handelt es sich um einen tragischen Unfall. Trotzdem prüft die Kriminalpolizei, ob die Erzieherinnen ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Die Ermittungen richten sich aber nicht gegen eine bestimmte Person. Jugendstadtrat Senftleben sagte gestern: So tragisch, wie der Fall auch sei, hätten die Erzieherinnen „Anspruch auf eine faire Behandlung“.

Die Mutter des Jungen, eine 24-jährige arbeitslose Arzthelferin, hat angekündigt, Anzeige gegen das Kitapersonal wegen Verletzung der Aufsichtspflicht zu erstatten. Bereits vor einem Monat sei ihr Sohn zweimal von einem Klettergerüst gefallen. „Wenn es Vorwürfe gegeben haben kann, die berechtigt sind“, so Jugendstadtrat Senftleben, „lässt das keinen Schluss auf den Freitag zu.“ Der Jugendstadtrat will alle Eltern anschreiben, zudem ist ein Gespräch mit Elternvertretern geplant.B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA