Kreuzberger Demos sind kurz

Nach 15 Uhr hat es sich am 1. Mai in Kreuzberg ausdemonstriert. So wollen es Polizeiund Innenverwaltung. Beamte sollen auch ohne Befehl „offensiv“ eingreifen

von DIRK HEMPEL

Polizei und Innenverwaltung möchten am 1. Mai in Kreuzberg nach 15 Uhr keine Demonstranten mehr sehen. Innensenator Eckart Werthebach (CDU) mochte gestern außerdem nicht ausschließen, dass es bis morgen noch weitere Demonstrationsverbote geben wird.

Das Gewaltpotenzial der verbotenen „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ um 18 Uhr drohe mit der Unterwanderung anderer Veranstaltungen, so Werthebach. Dies betreffe sowohl das Stadtteilfest am Mariannenplatz sowie die Demonstration um 13 Uhr und eine am Wochenende von der Bundestagsabgeordneten Angela Marquardt (PDS) zur gleichen Zeit angemeldete Veranstaltung gegen das „Demonstrationsverbot für Linke“ am Lausitzer Platz. Beide Demonstrationen blieben bis Redaktionsschluss genehmigt – allerdings nur unter der Auflage, dass sie spätestens um 15 Uhr beendet sein müssen.

Ab diesem Zeitpunkt will die Polizei dann offenbar hart durchgreifen. Landespolizeidirektor Gernot Piestert kündigte gestern ein „offensives, konsequentes und entschlossenes Einschreiten aller Beamten“ an. Die insgesamt rund 9.000 Polizisten dürfen dabei offenbar auch eigenmächtig handeln: „Ich möchte nicht, dass auf Befehle gewartet wird“, so Piestert.

Die Veranstalter der verbotenen „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ zeigten sich gestern allerdings überzeugt, dass sie trotzdem durch Kreuzberg demonstrieren werden. Zum einen hoffen sie auf eine Aufhebung des Verbotes durch das Oberverwaltungsgericht am heutigen Montag. Allerdings gebe es auch unabhängig davon „genug Möglichkeiten, sich legal in Kreuzberg aufzuhalten“, so Marc Schlosser von der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB).

Auch ein Sprecher der Autonomen kündigte an, sie würden sich durch ein Verbot nicht abhalten lassen. Zur Not werde man den Stadtteil einfach besetzen und so das Demonstrationsrecht durchsetzen.

Krawalle wären damit vorprogrammiert. Denn die Polizei will laut Piestert „in Konkurrenz zu jenen treten“, die Kreuzberg für sich reklamieren. Dann gebe es eben „deutlich mehr“ Festnahmen als die rund 400 im vergangenen Jahr, so Werthebach: „Es gibt keine rechtsfreien Räume in dieser Stadt.“

Wohl aber demonstrationsfreie: Offenbar darf man am 1. Mai in Kreuzberg nur als Einzelperson unterwegs sein. Weil die Polizei eine Unübersichtlichkeit der Situation fürchtet, gilt ab 15 Uhr offenbar: Jede Versammlung wird als Ersatzversammlung für die verbotene Demonstration gewertet. Auch die genehmigten Veranstaltungen, die länger als bis 15 Uhr andauern, sollen nach Ankündigung der Polizei dann aufgelöst werden.

Damit könnte es in diesem Jahr schon im Anschluss an die Veranstaltung um 13 Uhr zu Auseinandersetzungen kommen. Laut einer Sprecherin der Veranstalter ist nicht davon auszugehen, dass die Demonstration bis bis 15 Uhr beendet sein wird: „Wir erwarten durch das Verbot der 18-Uhr-Demonstration mehr Teilnehmer als sonst, und auch die massiven Polizeikontrollen werden das Ganze verzögern“. Die Veranstalter wollen daher heute gegen die Auflagen der Polizei vor das Verwaltungsgericht ziehen. Bliebe eigentlich nur noch das vom Bezirksamt veranstaltete Fest auf dem Mariannenplatz. Auch hier befürchtet die Polizei, dass aus dem Schuz der Menge heraus Straftaten begangen werden könnten – angeheizt auch durch Alkoholkonsum. Deswegen hätten Polizei und Veranstalter vereinbart, im Zweifelsfall auch das Fest vorzeitig aufzulösen, so Piestert.