EIN ZUWANDERUNGSKONZEPT DER CDU IST BESSER ALS KEINES DER SPD
: Halbwegs modern

Es gibt Augenblicke, da dürften die Modernisierer in der CDU verzweifeln. Ausgerechnet jetzt, da sie zum größten programmatischen Schritt seit der Wahlniederlage ansetzen, lähmt die Spendenaffäre wieder einmal die Parteizentrale. Das ungeschickte Verhalten von Angela Merkel & Co. überschattet den Aufbruch der CDU. Dennoch: Das Zuwanderungspapier, das am Wochenende in Berlin beraten wurde, ist ein Zeichen des Aufbruchs. Endlich verabschiedet sich die Partei definitiv von der Lebenslüge der Kohl-Ära, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei.

Gut, die CDU ist bei vielen Vorschlägen mal wieder auf halbem Wege stehen geblieben – so etwa bei der Idee, Facharbeitern einen befristeten Status zuzubilligen, während Spitzenkräfte davon ausgenommen sein sollen. Hier erinnert man sich an das längst überholte „Gastarbeiter“-Konzept der 50er- und 60er-Jahre, das auf eine Rückkehr der Zuwanderer setzte und daher Integration im Grunde ausschloss. Auch in der Forderung nach einem verpflichtenden Sprachunterricht steckt ein gutes Maß an Wunschdenken. Kommt nämlich die Osterweiterung (und damit der vermutlich größte Zustrom an Migranten), werden die neuen EU-Bürger ebenso wenig zum Spracherwerb angehalten werden können wie die heutigen.

In diesen Halbheiten liegen die Schwächen des CDU-Konzepts. Dennoch ist das Signal, das die Partei aussendet, eindeutig: Sie verschließt nicht mehr die Augen vor der Wirklichkeit. Gemessen an den heftigen Polemiken der vergangenen Jahre, erreicht die Debatte eine neue Qualität. Schließlich kommt die CDU in manchen Punkten sogar den Grünen ein gutes Stück des Weges entgegen: Man verzichtet nicht nur auf zahlenmäßig genau festgelegte Quoten, man will selbst bei der nichtstaatlichen Verfolgung alte Positionen aufgeben. Das sind Zeichen, die darauf hoffen lassen, dass Asyl und Zuwanderung nicht als Wahlkampfschlager missbraucht werden.

Die CDU hat also ihren Teil der Arbeit getan. Was bislang fehlt, ist ein Zuwanderungskonzept der SPD. Bis heute hat sie – im Gegensatz zu ihrem kleineren Koalitionspartner – keine klar umrissenen Ziele bei der Einwanderung. Stattdessen spricht der Kanzler Machtworte wie „Green Card“, und die Partei wartet ab. Die wichtigste gesellschaftspolitische Frage der nächsten Jahre hat man der unabhängigen Süssmuth-Kommission übereignet, die erst Anfang Juli ihren Bericht vorstellen wird. Eigentlich könnte die CDU jetzt die SPD in Bedrängnis bringen. Könnte. Wenn da nicht der Spendenskandal wäre. SEVERIN WEILAND