Verstümmeltes Autonomiegesetz

Mexikos Parlament verabschiedet Verfassungsreform. Forderungen der Indios weitgehend nicht berücksichtigt

MEXIKO-STADT taz ■ Das mexikanische Parlament hat nach hitzigen Debatten am Samstagabend eine Verfassungsreform über indigene Rechte und Selbstbestimmung verabschiedet. Wenn die Mehrzahl der 31 Länderparlamente der Reform zustimmen, dann erhält das Recht auf „Autonomie“ nun auch in Mexiko, wie schon in anderen lateinamerikanischen Ländern, erstmals Verfassungsrang.

Kritiker befürchten allerdings, dass die „unvollständige“ Reform den Friedensprozess mit der Zapatistenguerilla EZLN, die das Autonomiegesetz zur Bedingung für neue Friedensgespräche gemacht hatte, eher behindert als vorantreibt.

Denn das umstrittene Reformpaket bleibt in wesentlichen Punkten hinter den Forderungen der zapatistisch inspirierten Indio-Bewegungen zurück. Anders als im Originaltext der so genannten Cocopa-Initiative, für die sich neben den Zapatistas auch Präsident Fox und linke Parlamentarier eingesetzt hatten, sind indigene Völker in der neuen Version ausdrücklich nicht als „Rechtssubjekte“ mit einklagbaren Rechten sondern lediglich als Träger „öffentlichen Interesses“ anerkannt.

Auch territoriale Rechte, wie die „kollektive Nutzung“ von Bodenschätze, der Anspruch auf eigene Medien sowie die Gültigkeit indigenen Gewohnheitsrechts wurden – im Unterschied zur Cocopa-Initiative – entscheidend eingeschränkt. Zudem wurde die konkrete Umsetzung der indigenen Rechte auf die Länderparlamente verlagert und nicht, wie gefordert, auf Bundesebene verankert.

„Sie haben offenbar nicht zugehört“, kommentierte der Anwalt Adelfo Regino, der einen Monat zuvor zusammen mit einer zapatistischen Delegation von der Kongresstribüne für die indigenen Autonomien geworben hatte, in der Tageszeitung La Jornada die Modifikationen. Das chiapanekische Menschenrechtszentrum „Fray Bartolomé de las Casas“ wertete die verstümmelte Reformvorlage kategorisch als „Hindernis für den Frieden“.

Selbst der Leiter des staatlichen Indio-Instituts (INI), Marcos Matías, hatte die Kongressvertreter noch am Vortag aufgefordert, den „Geist“ der Originalinitiative zu respektieren. Zwar bezeichneten Abgeordnete der linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD) den veränderten Entwurf am Samstag als „schlechten Witz“.

Wenige Tage zuvor hatten jedoch auch die Vertreter der PRD-Fraktion im Senat der Vorlage in einer ersten Abstimmung grundsätzlich zugestimmt. „Mehr war nicht rauszuholen“, rechtfertigte der PRD-Senator Demetrio Sodi die umstrittene Zustimmung. Unterdessen begrüßte Innenminister Santiago Creel von der Regierungspartei „Partei der Nationalen Aktion“ (PAN) die Verabschiedung des neuen Indiogesetzes „als großen Fortschritt“. Dass die Zapatistas dies ebenso beurteilen, gilt als unwahrscheinlich. Eine Stellungnahme der EZLN lag bis Redaktionsschluss nicht vor.

ANNE HUFFSCHMID