Polizei schützt Aufmarsch – und die eigene Haut

900 NPD-Anhänger marschieren durch Hohenschönhausen. Die Polizei hat nicht immer die Übersicht und fängt zahlreiche Protestierer vorher ab

Konfusion gestern Vormittag am S-Bahnhof Hohenschönhausen: NPD-Anhänger und Gegendemonstranten trudeln gleichzeitig ein, sind für die 2.000 eingesetzten Polizisten nur schwer zu trennen. „Das da sind doch Protestierer, oder?“ Die Beamten gucken ratlos. Sie wissen sich nur durch eine Frage zu helfen: „Rechts oder links?“ Je nach Antwort werden die Ankommenden zum rechten Aufmarsch oder zur Gegenveranstaltung gelotst.

Rund 900 NPD-Anhänger aus dem gesamten Bundesgebiet haben sich zu der Demonstration unter dem Motto „Arbeit zuerst für Deutsche“ versammelt. Unter wachsamem Blick der Ordnungsmacht – der Aufmarsch startet direkt vor einer Polizeiwache. Aus dem Gebäude heraus werden die überwiegend kahl rasierten jungen Männer beobachtet. Die Gegend um den S-Bahnhof Hohenschönhausen wirkt wie ein riesiger Polizeiparkplatz. Wasserwerfer und Räumpanzer sind aufgefahren, Uniformierte schirmen die Auftaktkundgebung der NPD ab.

Rund um den Platz haben sich dennoch etwa 350 Gegendemonstranten versammelt. Mit Transparenten, Trillerpfeifen, Sirenengeheul und „Nazis raus“-Rufen demonstrieren sie gegen die rechten Marschierer. Teilweise so laut, dass die Durchsagen der NPD nicht zu verstehen sind.

Unter den Gegendemonstranten ist auch der Holocaust-Überlebende Fritz Teppich: „Hier werden Leute symbolisch totgetrampelt und die Politik tut nichts, die Justiz tut nichts – und die Bevölkerung auch nichts.“ Eigentlich müssten Tausende gegen rechts auf die Straße gehen, so Teppich. „Wir wären eindeutig mehr, wenn die Polizei nicht so viele Leute abgefangen hätte“, sagt eine andere Nazi-Gegnerin enttäuscht. Tatsächlich bestätigt Polizeisprecherin Gabriele Gedaschke später, rund 200 Fahrzeuge und 350 Personen seien von den Ordnungshütern „überprüft und abgewiesen“ worden und deswegen gar nicht erst in den abgelegenen Stadtteil gelangt. Zwölf Rechte und acht Linke seien im Vorfeld festgenommen worden.

Schon vor Beginn des NPD-Aufzuges gab es erste Rangeleien, als die Protestierer mit einer Blockade verhindern wollten, dass der Lautsprecherwagen der Rechten zum Sammelpunkt gelangt. Später folgten zwei Versuche, die Wegstrecke der jungen, in der Sonne schwitzenden Glatzköpfe zu besetzen, die Polizei beendete diese aber mit beherztem Einsatz von Händen und Füßen. Verletzungen gab es nach Polizeiangaben keine.

Die Sanitäter der Ordnungsmacht hatten trotzdem genug zu tun: Sie versorgten ihre in den schweren Schutzausrüstungen schwitzenden Kollegen mit Sonnencreme. DIRK HEMPEL