Nationale Häuschen

Nicht länger eingeschränkt und eingeengt: Geht es nach Bundeskanzler Gerhard Schröder, so wird vor allem das Europäische Parlament in Straßburg der Gewinner der Reform der EU-Institutionen sein. Anders als bisher soll es, so der Leitantrag der SPD, das vollständige Budgetrecht und damit auch die Hoheit über den Agrarhaushalt der EU bekommen. Die Transparenz der Entscheidungswege auf europäischer Ebene soll außerdem durch den „Ausbau der Kommission zu einer starken europäischen Exekutive“ sowie durch den „Ausbau des Rates zu einer europäischen Staatenkammer“ gestärkt werden. Für welche Politikbereiche diese Staatenkammer zuständig sein soll und was die künftige EU-Regierung entscheiden darf, verrät uns der SPD-Leitantrag für den Parteitag im November, der am Montag vorgestellt wurde, freilich nicht. Und so reagierte denn auch die Kommission in Brüssel auf Schröders Europavisionen zwar positiv, doch eben auch zurückhaltend. Es sei noch zu früh, um Einzelheiten zu kommentieren, so der Kommissionsprecher.

Weniger zurückhaltend gibt man sich in anderen EU-Staaten. Österreichs Bundeskanzler Schüssel warnte, wie auch die bayrische CSU, vor einem „europäischen Superstaat“. In Spanien dagegen lehnt man einen anderen Punkt der Reformideen ab: Die Förderungen für die armen Regionen Europas düften nicht wieder in die Zuständigkeit der Länder fallen. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Vor allem die südlichen Mitgliedstaaten profitierten bisher von der EU-Strukturpolitik. Der Bildung einer Staatenkammer stimmt man in Madrid dagegen zu. Schweigsam zeigten sich Paris und London am Maifeiertag. So wurde signalisiert, dass man den Plänen des deutschen Kanzlers keine allzu große Bedeutung zukommen lassen will. Sie seien eine weitere Äußerung in der laufenden Europa-Debatte, hieß es. Die größte Zustimmung erhielt Schröder aus Italien und Belgien. Mit den Reformideen könne das Demokratiedefizit der EU verringert werden, sagte etwa Vize-Außenminister Ranieri in Rom. FOTO: M. DARCHINGER