Blunts, Beeper und Goldzähne

■ In „Soul in the Hole“ verfolgen Danielle Gardner und Lilibet Foster ein New Yorker Basketballteam bis auf die Straße

„Wir schauen uns die Körper der Spieler an“, sagen die jungen afroamerikanischen Mädchen am Rand des Streetball-Courts. „Wenn es mit der NBA nicht klappt“, erzählt einer dieser Spieler später der Kamera, „dann deale ich mit Drogen.“

Basketball ist in den USA nicht nur eine verbreitete Sportart, sondern auch ein außerordentlich vielschichtiges soziales Phänomen. Neben der Profiliga NBA gibt es dort unzählige andere Ligen, die von College-Mannschaften bis hi-nunter zu den Streetball-Teams hinabreichen und mit der gleichen Faszination verfolgt werden. Schließlich sind das die Orte, an denen sich die zukünftigen Stars finden, und die Identifikation mit einem lokalen Team ist oftmals für das Zusammenleben in der Community entscheidender als die mit den Basketball spielenden Multimillionären der Top-Mannschaften. Dennoch sind Sport und Entertainment natürlich die traditionellen Felder, auf denen ghettoisierten schwarzen Kids der soziale Aufstieg möglich ist. Diese Hoffnung und die Aussicht, irgendwann vielleicht in einem Lexus zu sitzen und nicht jeden Dollar zwei Mal vor dem liquor store umdrehen zu müssen, treibt sie zu Tausenden mit dem Ball auf die Straße.

Zur Musik namhafter Rap-Crews verfolgt Danielle Gardners und Lilibet Fosters faszinierender kleiner Dokumentarfilm Soul in the Hole (1995/97), den das Lichtmeß jetzt noch einmal zur Ansicht bringt, ein New Yorker Straßenteam während der Sommer-Liga beim Versuch, das jährliche „Soul in the Hole“-Turnier zu gewinnen. „Ich passe auf diese jungen Männer den ganzen Sommer auf“, erklärt Coach Kenny zu Beginn des Films und erzählt von einem Schiedsrichter, der nach einer Fehlentscheidung erschossen wurde.

Er selbst ist aber kein Sozialarbeiter, sondern arbeitet tagsüber als Schnapsverkäufer und kennt die Probleme nur zu gut, um sich irgendwelchen humanistischen Illusionen hinzugeben.

Zentrum seines Teams und des Films ist der charismatische, aber selbstzerstörerische Kleinkriminelle Ed „Booger“ Smith, der aus den denkbar schlechtes-ten Verhältnissen kommt und den größten Teil seiner Kindheit auf der Straße verbracht hat, bis er irgendwann vom Coach adoptiert wurde.

Wenn man sieht, was Booger mit einem Ball anstellt, zucken selbst passionierten Nicht-Sportlern die Beine. Für Booger wird am Ende des Sommers der Traum wahr: Er verläßt NYC mit einem Stipendium in der Hand. Trotz he-rausragender sportlicher Leistungen scheitert Booger aber schulisch nach einem Jahr – nur, um wieder in die Projects zurückzukehren, auf der Straße zu leben und mit seinen Gangster-Freunden abzuhängen.

So ist Soul in the Hole weit von der Propaganda der segensreichen Wirkungen des Sports entfernt und zeichnet ein ungeheuer desillusioniertes Portrait schwarzen Alltags zwischen Blunts, Beepern und Goldzähnen, die hier keine coolen Utensilien einer globalisierten Style-Ökonomie sind. Tobias Nagl

heute, 21 Uhr, Lichtmeß