Der Preis der Freiwilligkeit

■ Damit unbezahlte Arbeit nicht im doppelten Sinne umsonst ist, fordert Michael Wörle Ehrenamtlichenmanagement

Alle sollen sich mehr engagieren, sagen die Politiker und meinen, dass sie sparen müssen. Die UNO hat 2001 zum Jahr des Ehrenamtes gemacht, es gibt Freiwilligenbörsen, damit jeder sich das für ihn passende Häppchen Engagement heraussuchen kann. Vereine, Verbände setzen immer weniger auf staatliche Gelder und immer mehr darauf, dass Menschen ihre Arbeit verschenken. Ehrenamtliche werden also umworben, in Sonntagsreden gefeiert - aber in der Realität ist das Ehrenamt auch eine Konfliktquelle. Michael Wörle, selbständiger Unternehmensberater, kennt beide Seiten und bietet am Institut für Weiterbildungan der Hochschule für Wirtschaft und Politik ein Seminar mit dem Titel „Ehrenamtlichenmanagement“ an.

taz: Was ist das „Ehrenamtlichenmanagement“?

Michael Wörle: Es gibt keine genaue Definition, aber die Idee entstand aus der Erfahrung, dass das Management von Ehrenamtlichen in den meisten Organisationen ungenügend ist.

Inwiefern?

Die Arbeit von Ehrenamtlichen ist oft im doppelten Sinne umsonst. Der Verein lässt die Freiwilligen einfach mal machen, es fehlen klare Aufgabenstellungen, weshalb die geleistete Arbeit sich im Nachhinein oft als überflüssig oder doppelt erweist. Das wirkt wie eine Miss-achtung der Arbeit Ehrenamtlicher, denn mit bezahlter Arbeit würde das so nicht passieren.

Und was soll das Ehrenamtlichenmanagement daran ändern?

Freiwillige haben einen Grund für ihr Engagement, der muss erkannt und aufgenommen werden. Es muss jemanden geben, der sich darum kümmert, der für Ideen wie Ergebnisse ansprechbar ist. Wenn möglich, sollte dieses Management nicht ehrenamtlich sein, es sei denn, jemand investiert wirklich viel Zeit. In vielen Organisationen passiert diese Einbindung nur in langen und langweiligen Sitzungen, zu denen die Einladungen schon so grausam langweilig formuliert sind, dass sie eher abschrecken als aktivieren.

Gibt es klassische Konflikte in Organisationen, die mit Ehrenamtlichen arbeiten?

Oh ja, da ist zunächst der zwischen ehrenamtlich arbeitendem Vorstand und hauptamtlich beschäftigten Mitarbeitern. Der spitzt sich zu, wenn der Vorstand auch noch häufig wechselt. Dann führen die Mitarbeiter den Vorstand, der sich wiederum in seiner Ehre gekränkt fühlt. Ein weiterer Konflikt besteht oft darin, dass die Ehrenamtlichen das Gefühl haben, nichts richtig zu machen.

Was kann man dagegen tun?

Beispielsweise könnte man die Arbeit veredeln, indem man den Freiwilligen Fortbildungen bezahlt. Davon hätten die einen persönlichen Gewinn, den sie auch dann behalten, wenn sie die Arbeit irgendwann aufgeben. Überhaupt wird viel zu selten darüber gesprochen, dass die Freiwilligen sich von ihrer Arbeit natürlich auch etwas versprechen.

Was denn?

Viele Ehrenamtliche suchen Anerkennung, die sie im Beruf noch nicht oder nicht mehr bekommen. Dieser Wunsch nach Wertschätzung ist durchaus erfüllbar, wenn die Arbeit gut ist. Dabei können die Organisationen helfen. Außerdem müssen sie begreifen, dass Freiwilligenarbeit ein Geben und Nehmen ist.

Überall wird beklagt, dass es immer weniger Menschen gibt, die bereit sind, sich ohne finanzielle Gegenleistung zu engagieren, Stimmt das?

Nein, ein Drittel der Bürger engagieren sich ehrenamtlich, übrigens mehr Männer als Frauen. Aber eine Studie des Projektverbandes Ehrenamt hat herausgefunden, dass es einen Wandel des Ehrenamtes gibt. Während es früher von Humanität und christlicher Nächstenliebe geprägt war, ist es heutzutage selbstbezogener. Es ist eher durch Betroffenheit oder lokale Lebenszusammenhänge motiviert. Außerdem nimmt das Projektbezogenene zu. Wenn Organisationen das aufgreifen, haben sie gute Karten, Freiwillige zu finden.

Gibt es neben dem Wunsch nach Anerkennung weitere Motive für Freiwilligenarbeit?

Auch dazu sagt die Studie etwas: Die Befragten gaben als Hauptmotiv für ihr Engagement an, die Arbeit sollte Spaß machen – da wirkt sich mangelhafte Organisation natürlich besonders fatal aus. Außerdem gibt es die Wünsche, mit sympathischen Menschen zusammen zu kommen sowie etwas Sinnvolles zu tun.

Die persönlichen Vorteile scheinen eine große Rolle zu spielen.

Ja, leider stehen die wenigsten Menschen dazu. Dabei ist eine klare Kommunikation ganz wichtig, damit beide Seiten sich über Erwartungen und Ziele klar werden. Überhaupt sind klare Strukturen erforderlich: Beispielsweise sollten Sie schon bei der Gründung eines Vereins festlegen, wie und ob Sie Ehrenamtliche einbinden wollen. Zu diesen Strukturen gehört übrigens auch, dass Vereinsgründer sich in Haftungsfragen schlau machen. Immer wieder kommt es vor, dass ehrenamtliche Vorstände ihr Vermögen opfern müssen, weil sie nicht wussten, dass sie beispielsweise für Lohnsteuerzahlungen der hauptamtlich Beschäftigten persönlich haften.

Ist die Kampagne der Bundesregierung für mehr Ehrenamt nicht gleichzeitg eine, die dem Staat Geld sparen soll?

Das Ganze ist ja eine Aktion der Vereinten Nationen, hat also mit den deutschen Haushaltszwängen vordergründig nichts zu tun, aber es ist in der Tat eine Gratwanderung. Einerseits darf der Staat seine Aufgaben nicht auf Bürger abwälzen, andererseits ist deren Einbindung positiv, sie macht eine lebendige Gesellschaft aus.

Fragen: Sandra Wilsdorf